NEW YORK – Der österreichische Virologe Florian Krammer setzt bei der vierten Impfung gegen den SARS-CoV-2-Erreger auf die neuen, neben der Wuhan- auch auf die Omikron-Variante angepassten Impfstoffe. Diese bivalenten Vakzine von Biontech und Moderna sind nun zwar zugelassen, „wir wissen aber nicht, ab wann sie in Österreich erhältlich sind“, erklärte der Experte von der Icahn School of Medicine at Mount Sinai in New York. „Ich persönlich würde darauf warten“, so Krammer.
„Wenn es etwas klarer wäre, wann der angepasste Impfstoff in Österreich erhältlich ist, wäre es eine gute Idee, sich mit diesem auffrischen zu lassen“, so der Wissenschafter. Trotz der kürzlich geäußerten Empfehlung des Nationalen Impfgremiums (NIG) zum vierten Stich für alle ab zwölf Jahren macht es für den Experten „wenig Sinn, sich jetzt den alten Impfstoff zu holen, wenn vielleicht in zwei Wochen der neue da ist“. Leider gebe es zur Zeit wenig Kommunikation zum Zeitpunkt der Verfügbarkeit und zur Anzahl der vorhandenen Dosen.
„Das wäre aber wichtig“, denn die aktuell in Österreich sinkenden Fallzahlen könnten im Verlauf des Herbstes wieder ansteigen. Die momentane Situation wäre somit eine gute, um künftige Wellen abzumildern, auch weil gerade das empfohlene Zeitfenster nach der dritten Impfung bei einigen ausläuft. Viele Menschen seien aber jetzt verunsichert, wie es im Impfschema weitergehen soll und welches Vakzin sie nehmen sollen und können. Das Problem sei, dass die Nachfrage vermutlich erst wieder steigen wird, wenn die Fallzahlen hoch sind: „Das ist halt dann fast zu spät.“
Dass die neuen Vakzine auf die Omikron-Untervariante BA.1 und nicht an das aktuell vor allem kursierende BA.5 angepasst sind, mache natürlich einen Unterschied, was die Schutzwirkung betrifft. Krammer: „Trotzdem wäre es besser, wenn man diesen Impfstoff bekommt als nochmals den alten Impfstoff.“ Sorgt sich jemand um seinen Schutz, und greift nun zum herkömmlichen Vakzin, muss er dementsprechend lange warten, bis eine erneute Impfung mit dem angepassten Vakzin Sinn macht.
„Würde jede Durchbruchsinfektion als Booster zählen“
Nach der vierten Impfung mit dem herkömmlichen Impfstoff steigt laut umfassenden Studien der Schutz vor symptomatischen Infektionen für einige Wochen an, sinkt er aber schnell wieder ab. Vor allem bei älteren Personen steige aber die Schutzwirkung vor schweren Infektionen auch längerfristig deutlich. „Was aber jetzt wichtig wäre, ist lang anhaltender Schutz vor symptomatischen Infektionen mit Omikron und seinen kursierenden Untervarianten. Da wirkt der angepasste Impfstoff vermutlich besser“, so Krammer.
Untersuchungen aus Portugal würden auch zeigen, dass Durchbruchsinfektionen mit BA.1 oder BA.2 „in etwa einen 75-prozentigen Schutz vor BA.5 bringen“, erklärte Krammer. Auch wenn im Sommer eine BA.5-Infektion durchgemacht wurde, sei der Schutz für einige Monate vermutlich recht hoch: „Das heißt aber nicht, dass es nicht bei einzelnen Personen zu Reinfektionen kommt.“ Die optimale Strategie im Umgang mit Impfung und Co. sei mittlerweile zu einer komplexen Sache geworden, in die die eigene Infektions- und Impf-Historie stark einfließt.
Argumente, dass man sich mehr oder weniger nur anhand den erhaltenen Impfungen orientieren soll, teilt Krammer nicht: „Ich würde jede Durchbruchsinfektion als Booster zählen.“ Nicht vergessen dürfe man hier allerdings, dass jede Infektion ein gewisses Risiko - auch auf „Long Covid“ - in sich berge.
Influenza am Schirm behalten
In vielen Ländern waren die jüngsten BA.4/BA.5-Wellen geprägt von vielen Fällen und Spitalseinweisungen, aber relativ wenigen Covid-19-Toten. „Das weist schon darauf hin, dass hier eine große Grundimmunität besteht und die Leute einen relativ guten Schutz bekommen. Wir stehen schon am Übergang zu einer nicht-pandemischen Zeit in gewisser Weise. Die Frage ist, wo sich das jetzt einpendelt und wie schwer die Wellen im Winter sein werden“, so Krammer.
Nicht vergessen sollte man, dass ein größeres Comeback der Influenza zuletzt ausgeblieben ist. Das könnte heuer anders sein, was etwa daran abzulesen ist, dass Australien in seiner Wintersaison eine relativ schwere Grippesaison mit der H3-Variante hatte. Das könnte das Gesundheitssystem auf der Nordhalbkugel im Winter und Frühling durchaus belasten.
Dass nun in Asien erste nasal verabreichte Vakzine zugelassen werden, sei interessant. Einen derartigen Impfstoff entwickelt und testet auch ein Team um den ebenfalls an der Icahn School of Medicine tätigen österreichischen Forscher Peter Palese mit zahlreichen internationalen Partnern. „Wir treiben das weiter voran, und ich denke, das macht auch Sinn“, denn gerade Nasal-Impfstoffe verheißen einen guten Infektionsschutz in den oberen Atemwegen. Dass die nun in China oder Indien neu zugelassenen Vakzine auch in Europa auf den Markt gelangen, glaubt Krammer aber nicht.
Wie es in Bezug auf neue Varianten weitergehen könnte, sei naturgemäß offen. Unter den aktuellen Omikron-Subtypen dominiert nach wie vor BA.5, man muss allerdings ein Auge auf BA.2.75 haben. Die bisherige Pandemie habe aber gezeigt, dass immer wieder neue Varianten „plötzlich auftauchen können, die dann das Infektionsgeschehen übernehmen“.
Quelle: medinlive.at
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