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ÖÄK: „Aggressionen gegen Ärzte sind keine Einzelfälle“

Überlastete Ambulanzen sind der Nährboden für Aggressionen seitens der Patienten. © LightField Studios - Shutterstock.com
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Mi. 4 September 2019

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WIEN - Bei der steigenden Aggression und Gewalt in Spitälern und Ordinationen kann nicht länger zugesehen werden. Die Österreichische Ärztekammer erläuterte ihre konkreten Forderungen zum Schutz von Ärztinnen und Ärzten.

„Aggressionen gegen Ärzte sind keine Einzelfälle“, betont Thomas Szekeres, Präsident der Österreichischen Ärztekammer: „Weder europaweit noch österreichweit“, sagt Szekeres. Die Nachbarländer Italien und Deutschland beispielsweise reagieren mit Forderungen nach Strafverschärfungen auf die zunehmende Zahl an Angriffen auf medizinisches Personal. Die internationale Entwicklung macht auch vor Österreich nicht Halt: „Aggressionen und Tätlichkeiten gegen Ärzte, Pflegekräfte und Mitarbeiter in Spitälern und Ordinationen nehmen auch bei uns beängstigend zu. Oft sind lange Wartezeiten Ursache und Auslöser“, begründet Szekeres.

Eine Verschärfung des Strafrechts sei auch in Österreich nötig, sagt der ÖÄK-Präsident. Derzeit seien im Strafgesetzbuch etwa bei tätlichen Angriffe auf Bus-Chauffeure oder Fahrscheinkontrolleure strengere Strafen vorgesehen. „Ein entsprechender Vorschlag der ÖÄK, diese Vorgehensweise auf Ärztinnen und Ärzte auszuweiten, liegt dem Parlament bereits vor“, sagt Szekeres. Schon im Juni hatte die ÖÄK angeregt, der zunehmenden Gewalt und Gewaltbereitschaft gegen im Gesundheits- und Sozialbereich tätige Personen entgegenzuwirken und sie einzudämmen. Dass es aus der Politik nun Bereitschaft zur Unterstützung gibt, sei positiv. „Wir laden alle Parteien ein, hier mitzumachen“, sagt Szekeres.

Sicherheitschecks wie bei Gericht seien in exponierten Bereichen oder bei einer Häufung von Vorfällen andenkbar, wirksamste Maßnahme aber sei mehr Personal, ist der Ärztekammer-Präsident überzeugt. Ohne zusätzliche Investitionen sei in der Zukunft nur eine Verschärfung der Lage zu erwarten. Alleine im Bereich des KAV wären 300 bis 350 zusätzlich Ärzte vonnöten. Auch – aber nicht nur, um Wartezeiten und Gewaltpotenzial zu reduzieren, sondern um die medizinische Versorgung allgemein zu verbessern.

„Jetzt muss investiert werden“, fordert Szekeres, der seine Forderung nach einer Anhebung der österreichischen Gesundheitsausgaben auf zwölf Prozent des BIP unterstreicht. „Man muss Geld in die Hand nehmen, sonst eskalieren Gewaltaktionen und Auseinandersetzungen und können irgendwann einmal Abteilungen nicht mehr besetzt werden, oder müssen geschlossen werden. Das kann und muss sich ein reiches Land wie Österreich leisten“, sagt der ÖÄK-Präsident.

Steinhart: Gewalt erreicht auch in Ordinationen inakzeptables Ausmaß

„Auch in den niedergelassenen Arztpraxen haben Aggression und Gewaltbereitschaft inzwischen ein völlig inakzeptables Ausmaß erreicht, das auf keinen Fall einfach hingenommen werden darf“, sagt Johannes Steinhart, Vizepräsident der Österreichischen Ärztekammer und Bundeskurienobmann der niedergelassenen Ärzte: „Hier sind dringend wirksame Gegenmaßnahmen auf breiter gesellschaftlicher, politischer und rechtlicher Basis erforderlich.“

Um einen ersten Eindruck zu bekommen, habe man eine Online-Blitz-Umfrage unter niedergelassenen Allgemeinmedizinern mit Kassenvertrag in Wien durchgeführt. „Das ist der Bereich, aus dem wir bisher die meisten Klagen von Ärzten gehört haben“, so Steinhart: „Die Ergebnisse dieser Umfrage sind hochgradig alarmierend.“ 57 Prozent der teilnehmenden Ärztinnen und Ärzte haben den Eindruck, dass Aggression und Gewalt gegen Ärzte insgesamt zunimmt. 97 Prozent haben in den vergangenen 24 Monaten von Kollegen gehört, dass diese von Patienten oder Angehörigen verbal bedroht wurden. 80 Prozent wurden in diesem Zeitraum selbst verbal bedroht, 10 Prozent wurden selbst körperlich bedroht.

„Das darf auf keinen Fall bagatellisiert werden. Deshalb ein klares Nein zu Aggression gegen Ärzte und ihre Mitarbeiter“, fasst Steinhart zusammen: „Gewalt in den Ordinationen darf nicht zum individuellen Problem einzelner Betroffener kleingeredet werden. Gesetzgeber, Politik, Sozialversicherungen und Interessensvertretungen sind gefordert, sich dieses Themas anzunehmen, und wir hoffen hier auf die Unterstützung der Medien. Aggression in Arztpraxen muss gesellschaftlich geächtet werden, und es ist wichtig, das auf möglichst breiter Basis zu vermitteln“, sagt der ÖÄK-Vizepräsident.

„Besonders wichtig ist in diesem Zusammenhang die Prävention“, so Steinhart: „Es geht darum, in Arztpraxen das Geeignete zu tun, damit Konflikte möglichst gar nicht erst entstehen. Zu diesem Zweck haben wir zunächst einmal in Wien niedergelassenen Ärzten und ihren Mitarbeitern spezielle Workshops angeboten. Diese Workshops sind völlig ausgebucht und sehr beliebt, weshalb wir ständig weitere anbieten“, verspricht Steinhart.

Steininger: Überlastete Ambulanzen Nährboden für Aggression

Für Brigitte Steininger, Referentin für LKF und Standardspitäler der Bundeskurie angestellte Ärzte der Österreichischen Ärztekammer und Vizepräsidentin der burgenländischen Ärztekammer ist der Angriff auf den Kollegen im SMZ Süd ein „Alarmsignal“. „Das Klima in den Ambulanzen ist derzeit ein Nährboden für Aggressionen. Durch die ständige Überlastung und dadurch überforderte Spitalsärzte kommt es zu langen Wartezeiten, was die Stimmung deutlich vergiftet.“ Zudem würden Patienten oftmals das Triage-System nicht nachvollziehen können, was zu subjektivem Frust führe. „Hier bedarf es vermehrter Aufklärung“, fordert Steininger.

Zudem brauche es – neben der personellen Aufstockung - dringend Deeskalationstrainings und Schulungen zum Umgang mit aggressivem Verhalten, ist Steininger überzeugt. „Hier ist der Dienstgeber gefordert, sie seinem Personal anzubieten.“ Zudem gibt es im Burgenland ein entsprechendes Melderegister für Angriffe. „Eine einheitliche Ausweitung auf Österreich wäre sehr begrüßenswert“, sagt Steininger.

Steininger sieht weiters die große Gefahr, dass sich das Problem mit Aggression und Gewalt künftig noch zuspitzen wird. „Die Medizin wird demographisch gesehen immer weiblicher und gerade Frauen sind besonders gefährdet, Opfer von aggressivem Verhalten zu werden“, sagt Steininger, die selbst bestätigt, dass sich das Sicherheitsgefühl am Arbeitsplatz – etwa im Nachtdienst – schon negativ verändert habe. „Die aktuellen Entwicklungen gehen an uns Ärztinnen und Ärzten sicher nicht spurlos vorbei.“

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