WIEN - Mehr als 200 Medikamente sind aktuell in Österreich nicht lieferbar, heißt es. Und wenn die Grippewelle weitergeht und vielleicht doch mehr Menschen als angenommen, sich entschließen, sich impfen zu lassen, drohen auch hier Engpässe.
Medizin und Gesundheit sind ein Ertragsmarkt geworden, das wird immer deutlicher. Die öffentliche Hand muss dem gegensteuern und selbst mehr Geld in die Hand nehmen. Österreich ist ein verhältnismäßig kleiner Markt, für die Pharmaindustrie sind die Margen zu gering. Deshalb wird Österreich auch weniger „freundlich“ behandelt als andere große Länder. Zudem ist in Österreich der Anteil an Generika höher als etwa in Deutschland. Der freie Markt bestimmt, wer bevorzugt wird.
Und der freie Markt bestimmt derzeit auch, wo welche Ärzte angestellt werden. Wer mehr zahlt und bessere Arbeitsbedingungen sicherstellt, tut sich leichter. Das ist auch ein Grund, warum vier von zehn Absolventen der Medizinischen Unis nicht in Österreich bleiben, sondern ins Ausland gehen. Ein harter Verdrängungsmarkt ist entstanden.
Private Gesundheitsversorger
Immer vehementer drängen private Gesundheitsversorger in den Markt. Sie wissen, dass sie mit sicheren Renditen rechnen können und haben zudem einen langen finanziellen Atem, sind perfekte Lobbyisten und zum Teil in mehreren Branchen tätig: etwa Fresenius, das sowohl Kliniken betreibt als auch Medikamente und technische Geräte herstellt, teilweise als Quasimonopolist.
Das alles hat Auswirkungen auf die Gesundheitsversorgung. Immer stärker übernehmen Ökonomen an Krankenhäusern die führende Rolle, die medizinische Leitung wird in ihrer Autonomie eingeschränkt. Fallzahlen werden ebenso vorgegeben wie teilweise das Minimum an Operationen: Das Fatale dabei ist, dass sich die privaten Klinikbetreiber zumeist die Rosinen aus dem Kuchen holen, und die öffentlichen Gesundheitsversorger mit sinkenden Mitteln immer mehr komplexe Fälle übernehmen (müssen).
Gemeinsam dagegen angehen
Es erscheint notwendig, auf diese Entwicklung hinzuweisen, zu warnen und gemeinsam mit den Sozialversicherungsträgern für eine Stärkung des öffentlichen Systems und vor allem für eine Stärkung der Selbstverwaltung zu kämpfen. Ärzte sind weder Dienstleister, über die man willkürlich verfügen kann, noch Befehlsempfänger von Ökonomen. Sie tragen die Letztentscheidung und Letztverantwortung – aus ihren ethischen Verpflichtungen heraus.[content-banner]
Dieses Prinzip aufzuweichen, führt unweigerlich zu einer vollkommenen Ökonomisierung des Gesundheitsbereichs. Mit zahlreichen Leidtragenden, die sich „Gesundheit“ bald nicht mehr leisten können.
Autor: ao. Univ.-Prof. Dr. Thomas Szekeres – Präsident der Ärztekammer für Wien und der Österreichischen Ärztekammer
Quelle: Blog Szekeres
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