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Altersstatistik zeigt: Ärztemangel verschärft sich in Österreich rapide

Heute gibt es die höchste Alters-Konzentration bei niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten mit einem Lebensalter um die 56-58. © HNFOTO – stock.adobe.com
Österreichische Ärztekammer

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Mo. 21 Jänner 2019

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WIEN – Die aktuelle Auswertung der Altersstatistik von 18.287 niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten zeigt den Ist-, Prognose und Nachbesetzungsbedarf. ÖÄK-Vizepräsident Johannes Steinhart fordert politischen Gipfel zur Behebung des Ärztemangels und seiner dramatischen Auswirkungen.

„Der Ärztemangel in Österreich verschärft sich spürbar und messbar von Jahr zu Jahr", sagte Johannes Steinhart, Obmann der Bundeskurie niedergelassene Ärzte und Vizepräsident der ÖÄK, bei einem Pressegespräch in Wien. „Die Auswertung der aktuellen Altersstatistik der 18.287 niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten mit Stand Dezember 2018 zeigt: Es drohen in den kommenden Jahren dramatische zahlenmäßige Einbrüche in der ärztlichen Gesundheitsversorgung. Und es ist aus heutiger Sicht aussichtslos, diesen Bedarf auch nur annähernd zu decken, wenn nicht rasch und entschlossen gehandelt wird. Das gilt sowohl für Allgemeinmediziner als auch für Fachärzte, sowohl für Kassenärzte als auch für Wahlärzte."

Heute gibt es die höchste Alters-Konzentration bei niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten mit einem Lebensalter um die 56-58. In 10 Jahren werden die meisten aus dieser Gruppe bereits in Pension sein. Konkret werden dann 48 Prozent aller niedergelassenen Ärzte, also fast die Hälfte, das Pensionsantrittsalter erreicht haben. „Verschiebt sich die Altersverteilung in Richtung Pensionsalter, so gehen jedes Jahr Stellen verloren, die aber bei weitem nicht mit jungen Ärzten nachbesetzt werden können, weil die Entwicklung insgesamt deutlich rückläufig ist", so Steinhart. „Die gegenwärtigen Zahlen bei den niedergelassenen Ärzten, die schon jetzt nicht mehr für alle nötigen Nachbesetzungen ausreichen, werden wir aus heutiger Sicht nie wieder erreichen."

Die Altersverteilung der niedergelassenen Ärzteschaft hat sich zwischen 1998 und 2018 dramatisch verschoben. 1998 lag die höchste Alters-Konzentration bei etwa 45 Jahren, heute bei etwa 60.

„Den mittelfristigen jährlichen Nachbesetzungsbedarf haben wir mit 938 niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten errechnet", so Steinhart. Das ist die Anzahl zusätzlicher niedergelassener Ärzte, die zur Aufrechterhaltung des Status quo in 5 Jahren benötigt werden, um die pensionsbedingten Abgänge zu kompensieren. „Allerdings sind wir weit davon entfernt, diesen Bedarf decken zu können. 2017 gab es an den öffentlichen Universitäten 1.665 Absolventen eines Medizinstudiums, und wir wissen, dass um die 40 Prozent davon nicht in Österreich als Ärzte arbeiten werden", sagte Steinhart. Rein rechnerisch müssten also alle in Österreich verbleibenden Absolventen niedergelassene Ärzte werden, um den Bedarf zu decken.

Verschärfend kommt zu diesen Berechnungen noch dazu, dass der Ärztebedarf in Zukunft steigen wird, weil die Bevölkerung wächst und älter und somit betreuungsintensiver wird.

Dramatische Situation bei Ärzten mit GKK-Vertrag

Dramatisch ist die Situation bei den 7.099 Ärztinnen und Ärzte mit einem GKK-Vertrag. In 10 Jahren haben 55 Prozent aller Ärzte mit GKK-Vertrag das Pensionsalter erreicht. Von den Allgemeinmedizinern mit GKK-Vertrag wird jeder 2. in 10 Jahren das Pensionsalter erreicht haben, von den Fachärzten 60 Prozent. Steinhart: „Besonders alarmierend ist hier das sukzessive Ausbleiben des Nachwuchses. Das steht in einem scharfen Kontrast zum mittelfristigen Nachbesetzungsbedarf von 434 GKK-Ärzten pro Jahr."

Einige konkrete Beispiele: Von den heute 239 praktizierenden Orthopäden mit GKK-Vertrag werden in 10 Jahren 64 Prozent das Pensionsalter erreichen. Bei den 394 Frauenärzten sind es über 65 Prozent, bei den 166 Urologen 58 Prozent, und bei den heute praktizierenden 390 Fachärzten für Innere Medizin 61 Prozent. Der zahlenmäßige Nachwuchs lässt in allen 4 Fächern zu wünschen übrig.

Steinhart: „Diese düstere Perspektive bekräftigt einmal mehr unsere Forderungen, dass die Rahmenbedingungen der kassenärztlichen Tätigkeit deutlich attraktiver werden müssen, damit sich junge Ärzte wieder für einen Kassenvertrag entscheiden."

Situation bei Wahlärzten bietet wenig Anlass zu Optimismus

„Auch die Entwicklung bei den Wahlärzten bietet wenig Anlass zu Optimismus", so Steinhart. Von den heute praktizierenden 10.099 Wahlärzten erreichen in den nächsten 10 Jahren fast 42 Prozent das Pensionseintrittsalter, und bei den Jüngeren sind die Zahlen rückläufig.

Alarmierende Fakten als Grundlage für wirksame Gegenmaßnahmen

„Diese alarmierenden Fakten sollen der Politik eine konkrete Grundlage für wirksame Gegenmaßnahmen bieten und gewinnen vor dem Hintergrund der ‚Kassenreform‘ und der zu gründenden ‚Österreichischen Gesundheitskasse‘ zusätzliche Aktualität", sagte Steinhart. „Ich hoffe sehr, dass sich die amtierende Bundesregierung von der sorglosen Verweigerungs-Haltung ihrer Vorgängerinnen verabschiedet und endlich in der Bekämpfung des Ärztemangels aktiv wird."

Mögliche Gegenmaßnahmen zeige das Beispiel Deutschland, wo das Problem Ärztemangel politisch weitgehend unbestritten ist:

  • Der „Masterplan Medizinstudium 2020" sieht dort eine Erhöhung der Zahl der Medizinstudenten vor.
  • Zahlreiche deutsche Bundesländer vergeben Landarztstipendien bzw. planen das – wer eines bekommt, verpflichtet sich, einige Jahre in der jeweiligen Region zu arbeiten.
  • Jungärzte werden von ländlichen Regionen mit Geld und sonstigen attraktiven Zusatzleistungen geködert.
  • Immer mehr deutsche Ärztekammern – zuletzt in Niedersachsen – befürworten als Reaktion auf den Ärztemangel die Online-Betreuungen von Patienten auch ohne vorangegangenen persönlichen Kontakt.

„Wie immer man zu solchen Maßnahmen auch stehen mag: In Deutschland ist jedenfalls auf breiter Basis Bewegung in die Sache gekommen", so Steinhart. Auch in Österreich seien einige Bundesländer bereits aktiv geworden, für einen nachhaltigen Erfolg bedürfe es allerdings auch wirksamer Aktivtäten auf Bundesebene. „Entscheidend wird sein, dass die Arbeitsbedingungen von Ärzten in Österreich nicht weniger attraktiv sind als im Ausland, insbesondere im deutschsprachigen, sondern möglichst noch besser. Und hier besteht noch Nachholbedarf, will man die ärztliche Abwanderung erfolgreich stoppen. Das ist nicht nur eine Frage der angemessenen Honorierung ärztlicher Leistungen, sondern auch von flexiblen Arbeitsmöglichkeiten und weniger Bürokratie."

Zu überlegen sei auch, wie sinnvoll Altersbegrenzungen für niedergelassene Kassenärzte angesichts der Ärzte-Altersstatistik noch sind.

Lösungsorientierter politischer Gipfel zur Behebung des Ärztemangels

„Dringend nötig sind gemeinsame Anstrengungen aller betroffenen Ministerien und Interessensvertretungen: Es muss ein Paket geschnürt werden, das dafür sorgt, dass nicht nur ausreichen viele Ärzte ausgebildet werden, sondern dass diese auch in Österreich bleiben", fordert Steinhart. „Wir brauchen dringend einen lösungsorientierten politischen Gipfel zur Behebung des Ärztemangels und seiner dramatischen Auswirkungen auf die Gesundheitsversorgung. Die Ärztekammer ist dabei sehr gerne ein Teil der Lösung."

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