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Strahlen-Chemotherapie bleibt vorerst Standard bei Mundkrebs

Trotz nebenwirkungen stellt die Strahlen-Chemotherapie eine entscheidende Therapiesäule bei Mund-Rachen-Krebs dar. © biker3 – stock.adobe.com
Deutsche Gesellschaft f. Radioonkologie e. V.

Deutsche Gesellschaft f. Radioonkologie e. V.

Mi. 27 März 2019

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BERLIN – Die Strahlen-Chemotherapie stellt eine entscheidende Therapiesäule bei Mund-Rachen-Krebs dar. Die Chemotherapie kann allerdings mit Nebenwirkungen einhergehen, weshalb man nach besser verträglichen Konzepten sucht.

Der Austausch der Chemotherapie Cisplatin durch den Antikörper Cetuximab zeigte in einer aktuellen Studie allerdings ein schlechteres Behandlungsergebnis als nach der Kombination von Bestrahlung und Cisplatin. „Dennoch wissen wir, dass HPV-assoziierte Tumoren empfindlicher gegenüber Krebstherapien sind als HPV-negative. Insofern ist die Suche nach schonenderen Behandlungen wichtig, im Sinne einer personalisierten RadioOnkologie“, erklärte Frau Univ.-Prof. Dr. Stephanie E. Combs.

Oropharynxkarzinome sind Krebserkrankungen im Mund- und Rachenraum. Sie zählen zu den eher seltenen Krebsformen, dennoch erkranken jährlich daran in Deutschland mehr als 10.000 Menschen. Die Schätzungen für 2018 liegen bei 9.400 Männern und 4.300 Frauen [1]. Männer erkranken im Mittel früher als Frauen, mit 63 Jahren gegenüber 66 Jahren, wobei das Risiko im mittleren Erwachsenenalter bereits zu steigen beginnt – in Abhängigkeit vorliegender Risikofaktoren wie insbesondere Tabak und Alkoholkonsum, die sich gegenseitig verstärken.

Ein weiterer wesentlicher, von Alkohol und Tabak unabhängiger Risikofaktor, der zurzeit intensiv erforscht wird, ist das humane Papillomavirus Typ 16 (HPV16). Eine Infektion mit HPV16 erfolgt durch Haut- und Schleimhautkontakte; die Viren persistieren inaktiv in den Zellen und können dann nach Jahrzehnten bei der Krebsentstehung relevant werden. HPV-ausgelöste Krebserkrankungen werden in den letzten 30 Jahren immer häufiger, die Häufigkeit dieser Tumoren nimmt jährlich um mehr als 3% zu [2]; der Anteil HPV-positiver Oropharynxkarzinome beträgt ca. 40% [3]. HPV-assoziierte bösartige Mund- und Rachen-Tumoren haben generell ein um 54% geringeres Risiko zu versterben als HPV-negative Tumoren [4]. „Bei früher Diagnosestellung und wenn keine Metastasen vorliegen, werden bei HPV-assoziierten Oropharynxkarzinomen mit modernen Behandlungskonzepten sogar 5-Jahres-Überlebensraten von über 85% erreicht“, erklärt Frau Univ.-Prof. Dr. Stephanie E. Combs, Pressesprecherin der Deutschen Gesellschaft für Radiologie (DEGRO).

In der Regel wird, wenn möglich, immer ein kurativer Therapieansatz verfolgt. Für die Therapie kommen Operation sowie eine kombinierte Strahlen-Chemotherapie zum Einsatz. Im Rahmen der Leitlinien wird immer eine möglichst individuelle Entscheidungsfindung angestrebt – unter Berücksichtigung der Ausbreitung des Tumors, der feingeweblichen Untersuchung des Tumors (Tumorbiologie, Genetik bzw. HPV-Status) und der individuellen Situation des Patienten werden Vor- und Nachteile der verschiedenen Therapieoptionen besprochen. Die kombinierte Strahlen- und Chemotherapie zeigt gute Behandlungsergebnisse. Moderne Bestrahlungstechniken machen gerade die Strahlentherapie heute relativ nebenwirkungsarm. „Leider ist eine Strahlentherapie unter medizinischen Laien oft immer noch negativ konnotiert, die Menschen haben unklare und unbegründete Ängste“, berichtet Frau Prof. Combs.

Da HPV-positive Tumoren in der Regel ein besseres Therapieansprechen aufweisen als HPV-negative, untersuchen zahlreiche internationale Studien Möglichkeiten einer weniger toxischen Therapie. Die Idee ist, die nebenwirkungsreiche Chemotherapie möglichst zu reduzieren oder zu umgehen. Eine kürzlich veröffentlichte Arbeit [5] untersuchte, ob die Chemotherapie bei Patienten mit HPV-positiven Mund-Rachen-Tumoren durch den Antikörper Cetuximab ersetzt werden kann. Untersucht wurde, ob sich bei gleich gutem Überleben die akuten und späteren Therapienebenwirkungen reduzieren lassen. Cetuximab wirkt gegen den epidermalen Wachstumsfaktor-Rezeptor 1 (EGFR1) und wird bereits erfolgreich in Kombination mit einer Strahlentherapie beim Plattenepithelkarzinom im Kopf- und Halsbereich eingesetzt. Auch etwa 90% der Mund-Rachen-Karzinome sind Plattenepithelkarzinome [1].

Die aktuelle Multicenterstudie [5] wurde an 182 Zentren in den USA und Kanada durchgeführt. Die Patienten waren alle HPV-positiv und wiesen keine Fernmetastasen auf. Es erfolgte eine Gruppierung nach der Tumorgröße (T1-T2 oder T3-T4) und Lymphknotenbefall. Neben der Standardbestrahlung erhielten die Patienten 1:1 randomisiert intravenös entweder Cisplatin (100 mg/m2 jeweils an Tag 1 und 22 der Strahlentherapie) oder Cetuximab (5-7 Tage vor Bestrahlungsbeginn 400 mg/m2, gefolgt von wöchentlich 250 mg/m2 über 7 Wochen). Die Bestrahlung erfolgte als AIMRT („accelerated intensity modulated radiation therapy“), fraktioniert über sechs Wochen mit sechs Terminen pro Woche und einer Gesamtdosis von 70 Gy. In der Cisplatin-Gruppe waren 424 Patienten, in der Cetuximab-Gruppe 425. Im Ergebnis fand man ein 5-Jahres-Gesamtüberleben von 77,9% in der Cetuximab-Gruppe und 84,6% in der Cisplatin-Gruppe. Auch das progressionsfreie 5-Jahres-Überleben war in der Cetuximab-Gruppe signifikant schlechter (67,3% gegenüber 78,4%). Lokale Rückfälle hatten in der Cisplatin-Gruppe 9,9%, in der Cetuximab-Gruppe 17,3%. Die kurzfristige, akute Toxizität war in der Cisplatin-Gruppe etwas schlechter als in der Cetuximab-Gruppe (81,7% vs. 77,4%), ebenso die langfristige Toxizität (20,4% vs. 16,5%), jedoch waren diese Unterschiede statistisch nicht signifikant.

Zu einem ganz ähnlichen Ergebnis kam eine randomisierte, kontrollierte Open-Label-Studie der Phase 3 [6], die an 32 Zentren in Irland, den Niederlanden und UK durchgeführt und in der gleichen Ausgabe des „The Lancet“ publiziert wurde wie die oben genannte Multicenterstudie. Auch sie verglich die Strahlentherapie plus Cisplatin vs. Strahlentherapie plus Cetuximab. Primärer Endpunkt war die Toxizität, die sich zwischen beiden Therapiearmen nicht signifikant unterschied. Das 2-Jahres-Überleben und die Rückfallrate nach 2 Jahren waren allerdings unter dem Standardregime (Strahlentherapie und Cisplatin) signifikant besser (97,5% vs. 89,4%, p=0,001 sowie 6,0% vs. 16,1%, p=0,0007).

„Zusammenfassend bleibt bei HPV-positiven Oropharynxkarzinomen die Strahlentherapie in Kombination mit der Chemotherapie mit Cisplatin weiterhin Standard. Der Austausch von Cisplatin durch die zielgerichtete Therapie mit Cetuximab hat leider sogar etwas schlechtere Behandlungsergebnisse gezeigt“, resümiert Herr Univ.-Prof. Dr. Wilfried Budach, Präsident der Deutschen Gesellschaft für RadioOnkologie (DEGRO). „Dennoch wissen wir, dass HPV-assoziierte Krebserkrankungen ganz eigene biologische Eigenschaften haben, die sie empfindlicher gegenüber Krebstherapien machen als HPV-negative. Insofern ist die Suche nach schonenderen Kombinationstherapien wichtig, im Sinne einer personalisierten Strahlentherapie.

Literatur
[1] https://www.krebsdaten.de/Krebs/DE/Content/Publikationen/Krebs_in_Deutschland/ki...
[2] https://www.krebsgesellschaft.de/onko-internetportal/aktuelle-themen/news/hpv-be... 
[3] Ndiaye C, Mena M, Alemany L et al. HPV DNA, E6/E7 mRNA, and p16INK4a detection in head and neck cancers: a systematic review and meta-analysis. Lancet Oncol. 2014 Nov;15(12):1319-31. doi: 10.1016/S1470-2045(14)70471-1
[4] https://www.krebsgesellschaft.de/onko-internetportal/basis-informationen-krebs/k... 
[5] Gillison ML, Trotti AM, Harris J et al. Radiotherapy plus cetuximab or cisplatin in human papillomavirus-positive oropharyngeal cancer (NRG Oncology RTOG 1016): a randomised, multicentre, non-inferiority trial. Lancet 2019 Jan; 393 (10166): 40-50
[6] Mehanna H, Robinson M, Hartley A et al. Radiotherapy plus cisplatin or cetuximab in low-risk human papillomavirus-positive oropharyngeal cancer (De-ESCALaTE HPV): an open-label randomised controlled phase 3 trial. Lancet. 2019 Jan 5;393(10166):51-60. doi: 10.1016/S0140-6736(18)32752-1.

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