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WIEN – Über 50 Prozent der zahnmedizinischen Leistungen bezahlen die Österreicherinnen und Österreicher aus eigener Tasche.
Das zeigt der am Freitag, 20. April 2018, veröffentlichte Rechnungshofbericht über die Versorgung im Bereich der Zahnmedizin. Der Rechnungshof stellte außerdem fest: Der Leistungskatalog der Versicherungsträger ist veraltet, es gibt keinen Überblick über die erbrachten Leistungen und Gesundheitsziele fehlen.
Im Jahr 2014 wurden insgesamt 1,815 Milliarden Euro für zahnärztliche Leistungen ausgegeben. Der Rechnungshof analysierte die Einkommenssteuerdaten der Zahnärzte und fand heraus: 926,10 Millionen Euro bezahlten die Österreicherinnen und Österreicher für private Zahnarztleistungen. Welche Leistungen diesen Honoraren konkret zugrunde liegen, darüber gibt es keine Aufzeichnungen. Etwas weniger als die Hälfte der Gesamtausgaben, nämlich 888,6 Millionen Euro, entfiel im Jahr 2014 auf die öffentliche Hand.
Überalterte Gesamtverträge für Zahnmedizin aus 1956
Welche zahnmedizinischen Leistungen in Österreich von den Versicherungsträgern bezahlt werden, hat der Hauptverband der Sozialversicherungsträger im Jahr 1956 festgelegt. Zu geringfügigen Aktualisierungen kam es in den Jahren 1972 und 1992. Beratung, Vorsorge und Prophylaxeleistungen sind nur in sehr geringem Umfang vorgesehen. Neuere technische Entwicklungen bleiben unberücksichtigt. Im Jahr 2005 hat der Hauptverband ein neues Konzept für den Bereich der Zahnmedizin vorgelegt. Die Verhandlungen dazu scheiterten aber unter anderem wegen unterschiedlicher Interessenslagen. Ab 2013 setzten die Versicherungsträger auf kasseneigene Zahnambulatorien. Eine signifikante Verbesserung wurde dadurch nicht erreicht. Der Rechnungshof schätzt den Marktanteil der Zahnambulatorien für Privatleistungen im Jahr 2015 auf zwei Prozent.
Keine Gesundheitsziele im Zahnbereich
Trotz Empfehlungen der WHO und dem in der Gesundheitsreform 2012 festgelegten Prinzip der Wirkungsorientierung gibt es keine Gesundheitsziele für den Zahnbereich. Außerdem mangelt es an grundlegenden Daten zu den Krankheitsbildern. Ein Überblick über die Summe der erbrachten Leistungen fehlt. Soweit Indikatoren gemessen werden konnten, zeigte sich, dass die Erreichung der WHO-Zielwerte für 2020 gefährdet erscheint.
80 Millionen Euro jährlich für „Gratiszahnspange“
Zur Einführung der „Gratiszahnspange“ 2015 definierte der Gesetzgeber die Ansprüche der Versicherten neu. Er erteilte einen ausdrücklichen Auftrag für den Abschluss eines Gesamtvertrags, stellte zweckgewidmet zusätzliche Steuermittel von 80 Millionen Euro jährlich zur Verfügung und regelte eine Alternative für den Fall, dass kein Gesamtvertrag zu Stande käme in Form von Einzelverträgen. Da die Bestimmungen der alten Zahnspangenregelung weiterbestanden, gab es allerdings Anpassungsbedarf. 2020 wollen die Träger die Auswirkungen der Gratiszahnspange auf die Zahngesundheit evaluieren.
Empfehlungen des Rechnungshofes
Der Rechnungshof empfiehlt, Zahngesundheits- und Versorgungsziele zu definieren, die Ergebnisse systematisch zu messen sowie den Leistungskatalog zu aktualisieren und stärker auf Prophylaxe auszurichten.
Von essentieller Bedeutung ist, ob zeitnah der Abschluss eines modernen Gesamtvertrages erfolgt, beziehungsweise wie auf ein weiteres Scheitern reagiert werden kann.
Gemeinsam mit Spanien ist Österreich das einzige europäische Land, das keine Fachzahnärztinnen und Fachzahnärzte für Kieferorthopädie ausbildet. Der Rechnungshof empfiehlt, die Einführung einer solchen Ausbildung zu prüfen.
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