ST. PÖLTEN – Der NÖGKK war es vom Obersten Gerichtshof (OGH) verboten worden, bis zur Rechtskraft der Entscheidung über die Unterlassungsklage eines Zahnarztes in Pöchlarn, Niederösterreich, in ihrem Zahnambulatorium in St. Pölten Vollnarkosen zur Zahnbehandlung anzubieten und/oder zu verabreichen, ohne dafür kostendeckende Beiträge zu veröffentlichen und vom Patienten einzufordern.
Kassen tricksen Gericht aus
Nun wurde die vom Landesgericht St. Pölten und vom OGH bestätigte einstweilige Verfügung zum Verbot der kostenlosen Narkosebehandlung im NÖGKK-Ambulatorium aufgehoben und die Klage des Zahnarztes abgewiesen, weil die Niederösterreichische Gebietskrankenkasse in der Zwischenzeit ihre Satzung geändert und damit die Tür zur kostenlosen Behandlungserlaubnis geöffnet hat. In dem Landesgerichtsspruch wird dem klagenden Zahnarzt und Narkosearzt bestätigt, dass sie bis zur Zustellung des Beschlusses des OGH mit der fast gänzlichen Bestätigung der einstweiligen Verfügung obsiegt haben und das Handeln der NÖGKK wettbewerbswidrig war. In Vorbereitung des Hauptverfahrens vor dem Landesgericht St. Pölten hat nun die NÖGKK in Abstimmung mit dem Gesundheitsministerium die Ambulatoriumssatzung so angepasst, dass kostenlose Vollnarkosen als Ambulatoriumsleistung geöffnet sind und damit die Entscheidungsgründe des OGH wegen wettbewerbswidrigen Verhaltens der NÖGKK konterkariert. Der OGH hatte u.a. festgestellt, dass mit dem kostenlosen Vollnarkose-Angebot die NÖGKK auch ohne Gewinnabsicht wettbewerbswidrig handelt und die NÖGKK mit dem Betrieb eines Zahnambulatoriums im geschäftlichen Verkehr und damit im Wettbewerb steht; Zahnmedizin in Ambulatorien der Sozialversicherungsträger nach § 153 Abs. 3 ASVG nur eingeschränkt anbieten darf und offenkundig gegen § 153 Abs. 3 ASVG verstößt.
Erweiterte Befugnisse von Ambulatorien bewirken Umsatzverluste des niedergelassenen Bereichs von Ärzten und Zahnärzten, wenn in Ambulatorien Leistungen kostenlos erbracht werden, die von Patienten bei niedergelassenen Ärzten zu zahlen wären, heißt es im OGH-Spruch.
Mit ihrer Vorgangsweise der Satzungsänderung hat die NÖGKK seit März 2015 im Zusammenwirken mit der Gesundheitsministerin – prozessentscheidend – die gesamte Zahnärzteschaft, Ärzteschaft und ihre jeweiligen Kammern „ausgeschaltet“, so die klageführenden Ärzte. „Massives und nachhaltiges Vorgehen der eigenen Berufsvertretung dagegen ist unbedingt angezeigt.“
„Mit dieser in jeder Hinsicht zu kritisierenden Entscheidung ist“, so die Ärzte „über den Anlassfall Vollnarkose hinausgehend – für alle niedergelassenen Zahnärzte und Anästhesisten ein kritisches Stadium in der Gesundheitspolitik erreicht, dem mit allen rechtlich zulässigen Mitteln begegnet werden muss. Wir haben den Eindruck, dass das sehr vielen freiberuflich im Gesundheitswesen Tätigen nicht bewusst ist.“
Das Vorgehen im Zahnambulatorium St. Pölten und das Verabreichen von kostenlosen Vollnarkosen für Zahnbehandlung seien als Teil eines inhaltlich und örtlich viel umfassenderen Strebens nach breiterer Gesundheitsversorgung aus den Ambulatorien heraus zu sehen. Weitere gesetzwidrige Vorgangsweisen seitens eines Sozialversicherungsträgers seien nicht ausgeschlossen, so die Kläger-Ärzte.
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