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Parodontale Erhaltungstherapie völlig schmerzfrei und delegierbar

Applikation des Photosensitisers Toluidinblau in alle Zahnfleischtaschen auch bei Blutung: Der Farbstoff kann 10 zu 1 mit Blut verdünnt werden. Es treten keine Verfärbungen auf. (Bild: Univ.-Prof. Dr. Rainer Hahn)
Univ.-Prof. Dr. Rainer Hahn, Tübingen

Univ.-Prof. Dr. Rainer Hahn, Tübingen

Do. 10 März 2011

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TÜBINGEN – Photodynamische antimikrobielle Chemotherapie ist ein effektiver Ersatz für Scaling sowie Root Planning und kann an die Zahnarztassistentin delegiert werden.

Unter Photodynamischer Therapie (PDT) versteht man ursprünglich ein Verfahren zur Behandlung von Neoplasien und Tumoren mit spezifischem Licht in Kombination mit einer lichtempfindlichen Substanz, dem sogenannten Photosensibilisator unter Anregung von im Gewebe vorhandenem Sauerstoff. Für die Abtötung von Bakterien statt Humanzellen wird dieses Verfahren mit speziellen Sensibilisatoren auf Basis der Farbstoffe Toluidinblau oder Methylenblau verwendet, was in der Literatur häufig als photodynamische antimikrobielle Chemotherapie (PACT) oder photoaktivierte Desinfektion (PAD) bezeichnet wird.

Der Wirkungsmechanismus ist einfach und sehr effektiv zugleich: Eine im Bereich der zu behandelnden Region applizierte, stark verdünnte Farbstofflösung (Photosensitizer) wird mit einem Licht einer speziellen Wellenlänge bestrahlt. Die Farbstoffmoleküle werden in einem engen Frequenzband angeregt und geben ihre Energie im Gewebe- beziehungsweise Bakterienumfeld an dort gelösten Sauerstoff weiter, der dadurch in einen reaktionsfreudigen Singulett-Zustand überführt wird.

Der durch diese Kombination entstandene Singulett-Sauerstoff schädigt selektiv die Zellwände aller vorhandenen Bakterien und wirkt somit als Breitband-Antibiotikum. Gleichzeitig wird auch die Matrix des Biofilms zerstört, was einen starken Einfluss auf die Nachhaltigkeit der Keimdesinfektion hat. Voraussetzung ist, dass der Farbstoff selektiv in seinem Absorptionsmaximum angeregt wird und dies mit einer absolut präzisen Intensität und Wellenlänge unter definierter Einstrahldauer von dreißig Sekunden. Nur dann können Bakterien um mindestens vier Zehnerpotenzen reduziert werden, folglich um 99,99 Prozent.

Im Gegensatz zu Antibiotika wirkt PACT selektiv auf Mikroorganismen und tötet grampositive und gram-negative Bakterien mit einem sehr breiten Spektrum ab. Herkömmliche Lasergeräte oder Softlaser mit nicht exakt korrespondierenden Wellenlängen können allerdings nicht mit einem Farbstoff für die photo- aktivierte Chemotherapie eingesetzt oder „nachgerüstet“ werden, weil es für diese keinen passenden Farbstoff gibt. Die für die photodynamische Desinfektion beziehungsweise PACT- Behandlung eingesetzten Laser wurden dagegen speziell für die vorhandenen Farbstoffe entwickelt. Hochinteressant für die tägliche Anwendung ist vor allem die Möglichkeit, diesen Wirkstoff mithilfe des Laserlichts gezielt ein- und auszuschalten. Damit kann sowohl der Wirk-Ort als auch die Wirk-Zeit exakt bestimmt werden. PACT kann in der Kariestherapie („Sterilisation“ pulpanaher Karies), Parodontitistherapie, Periimplantitistherapie, in der Endodontie (häufig als Alternative zu medikamentösen Einlagen) und für die Therapie von Weichgewebsinfektionen eingesetzt werden.

Die systematische Parodontitistherapie
Nach Diagnose einer chronischen Parodontitis ist in der Regel eine systematische Parodontalbehandlung durchzuführen. Diese wird nach den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Parodontologie in fünf Abschnitte unterteilt:

  •  Eingangsuntersuchung,
  •  Initialtherapie,
  •  Korrektive Therapie (evtl. chirurgische Eingriffe),
  •  Erhaltungstherapie (Recall) und
  •  Rezidivbehandlung.

Der Langzeiterfolg einer Parodontitistherapie hängt ganz entscheidend von der Qualität der unterstützenden Parodontitistherapie [UPT] (Synonym: Erhaltungstherapie, Recall, parodontale Nachsorge) ab. So konnten nach regelmäßig durchgeführter UPT und guter Compliance der Patienten/-innen deutlich weniger Rezidive und Zahnverlust beobachtet werden.[1-3] Dagegen führt eine Parodontitistherapie ohne konsequente Erhaltungstherapie oder Compliance zu einer weiteren parodontalen Progression.[4-5] Es kommt häufiger zu Rezidiven und zu einem etwa 5- bis 6-fach erhöhten Zahnverlustrisiko.[6-9]

Risikoanalyse und Festlegen des Recall-Intervalls
Wichtig für das Festlegen der Recall-Intervalle war bisher eine genaue Beurteilung der individuellen Risikofaktoren, um eine Unter- oder Überversorgung zu vermeiden. Ein Kontrollzeitraum von maximal sechs Monaten hat sich dabei als vorteilhaft erwiesen. Etwa drei Monate nach Scaling und Wurzelglättung kommt es zu einer Wiederbesiedlung der parodontalen Taschen mit Mikroorganismen.[10] Insbesondere bei aggressiven Parodontalerkrankungen sollte dies vermieden und die Kontrollsitzungen entsprechend kurz gewählt werden. Die Problematik der möglichen Überversorgung und der fehlenden Patientenakzeptanz führte bisher dazu, dass in der Praxis die Erhaltungstherapie nur bei den wenigsten PA-Patienten/-innen konsequent durchgeführt wird.

Recall-Behandlungen mit PACT
Eine Lösung für diese Problematik kann der Einsatz der photodynamischen Therapie sein. Mechanische Wurzelbearbeitung ist nicht nur unangenehm, sie kann auch schmerzhaft sein und zu Hypersensitivitäten führen. PACT hingegen ist völlig schmerzfrei und erzielt denselben klinischen Erfolg. Das wurde durch eine unabhängige Studie nachgewiesen, welche an sechzig Patienten/-innen der Universität Greifswald durchgeführt wurde.[11] Dabei wurde in der einen Patientengruppe in jeder Tasche ein mechanisches Debridement durchgeführt und in der Parallelgruppe nur photodynamisch behandelt. Das Ergebnis: nach drei Monaten wurden in beiden Gruppen dieselben Verbesserungen festgestellt.

Ein regelmäßiger Einsatz von PACT kann offenbar eine mechanische Therapie ersetzen, der neu entstehende Biofilm kann auch rein pharmakologisch und völlig nebenwirkungsfrei entfernt werden. Beim Einsatz von PACT ist die oben erwähnte Überversorgung und damit einhergehende Schädigung der Wurzeloberflächen ausgeschlossen. Auch die komplexe Beurteilung von Risikofaktoren zur Festlegung der Behandlungsintervalle kann entfallen, wenn in kurzen Abständen einfach regelmäßig mit PACT behandelt wird.

Delegierbar an Assistentin
Interessant sowohl für Behandler als auch Patient ist die Möglichkeit, diese Behandlung an die Prophylaxeassistentin delegieren zu können. Das Verfahren ist nicht invasiv. Die einzige Herausforderung besteht darin, die Zahnfleischtaschen mit dem gelförmigen Photosensitizer zu bespülen. Die Erhaltungstherapie kann zum Beispiel im Anschluss an die supragingivale Zahnreinigung durchgeführt werden und kostet Behandler und Patient nur den notwendigen zusätzlichen Zeitaufwand von etwa dreißig Minuten zuzüglich der Materialkosten von etwa 15 Euro.

Zusammenfassung und Fazit
Im Rahmen der Individualprophylaxe kann bei allen PA-Patienten/-innen im Anschluss an die professionelle Zahnreinigung zusätzlich eine PACT-Behandlung durch die Prophylaxeassistentin durchgeführt werden. Für die Patienten bedeutet das, dass sie über viele Jahre eine schmerzfreie Erhaltungstherapie zu moderaten Kosten erhalten.

Notwendig sind etwa drei bis sechs monatliche Sitzungen mit der Assistenz, die nach der Prophylaxe den Photosensitizer in die Resttaschen appliziert und mithilfe des Laserlichts die pathogenen Keime aus den Taschen entfernt. Die Akzeptanz dieser sanften Laserbehandlung ist sowohl bei den/die Patienten/-innen, aber auch bei unseren Assistentinnen überaus hoch. Mit dieser Technik gelingt es in unserer Klinik, praktisch alle PA-Patienten/-innen in einem jahrelangen Recall zu halten, wobei diese hochzufrieden und ohne jede Vorbehalte zu den regelmäßigen Sitzungen kommen.

*Univ.-Prof. Dr. Rainer Hahn ist ärztlicher Leiter der zahnärztlichen Privatklinik Tübingen, wissenschaftlicher Leiter der Tübinger Dentalschool und Professor an der Private Danube University in Krems.

Literaturliste
[1] Lindhe J, Nyman S.: Long-term maintenance of patients treated for advanced periodontal disease. J Clin Periodontol. 1984 Sep;11(8): 504-14.

[2] Fardal Ø, Johannessen AC, Linden GJ.: Tooth loss during maintenance following periodontal treatment in a periodontal practice in Norway. J Clin Periodontol. 2004 Jul;31(7):550-5.

[3] Pretzl B, Kaltschmitt J, Kim TS, Reitmeir P, Eickholz P.: Tooth loss after active periodontal therapy. 2: tooth-related factors. J Clin Periodontol. 2008 Feb;35(2):175-82.

[4] Becker W, Becker BE, Berg LE.: Periodontal treatment without maintenance. A retrospective study in 44 patients. J Periodontol. 1984 Sep;55(9):505-9.

[5] DeVore CH, Duckworth JE, Beck FM, Hicks MJ, Brumfield FW, Horton JE.: Bone loss following periodontal therapy in subjects without frequent periodontal maintenance. J Periodontol. 1986 Jun;57(6):354-9.

[6] Axelsson P, Lindhe J.: The significance of maintenance care in the treatment of periodontal disease. J Clin Periodontol. 1981 Aug;8(4):281-94.

[7] Kocher T, König J, Dzierzon U, Sawaf H, Plagmann HC.: Disease progression in periodontally treated and untreated patients--a retrospective study. J Clin Periodontol. 2000 Nov;27(11):866-72.

[8] Checchi L, Montevecchi M, Gatto MR, Trombelli L.: Retrospective study of tooth loss in 92 treated periodontal patients. J Clin Periodontol. 2002 Jul;29(7):651-6.

[9] Eickholz P, Kaltschmitt J, Berbig J, Reitmeir P, Pretzl B.: Tooth loss after active periodontal therapy. 1: patient-related factors for risk, prognosis, and quality of outcome. J Clin Periodontol. 2008 Feb;35(2):165-74.

[10] Magnusson I, Lindhe J, Yoneyama T, Liljenberg B.: Recolonization of a subgingival microbiota following scaling in deep pockets. J Clin Periodontol. 1984 Mar;11(3):193-207.

[11] Rühling A, Fanghänel J, Houshmand M, Kuhr A, Meisel P, Schwahn C, Kocher T.: Photodynamic therapy of persistent pockets in maintenance patients-a clinical study. Clin Oral Investig. 2010 Dec;14(6):637-44. Epub 2009 Oct 13.

Erschienen in Dental Tribune Austria 3/2011

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