KREMS/BONN – „Geld regiert die Welt“ – ein beliebtes Schlagwort, und bald greifen die Kettenpraxen in der Zahnheilkunde-Erbringung um sich. Die Dentalindustrie ist schon weitgehend in den Händen von Finanzinvestoren, nun greifen sie auch in Europa auf die Praxen zu.
Vieles macht ihnen den Erfolg einfach. Die Generation Y scheut das Risiko der Praxisfinanzierungsverschuldung, sucht eine ausgewogene „Work-LifeBalance“, wie es neudeutsch heißt, dazu kommt die zunehmende Feminisierung des Berufsstandes mit all den bekannten Folgen.
Vor allem der Gesetzgeber in Deutschland hat es Investorengruppen mit der Öffnung von Medizinischen Versorgungszentren (MVZen) allein für die Zahnheilkunde einfach gemacht, sich finanziell durch den Kauf von Zahnarztpraxen kettenorientiert zu engagieren.In Österreich ist es rechtlich noch schwierig, Fremdinvestoren als Praxisinhaber zu ermöglichen, da Eigentümer ein Zahnarzt sein muss. Aber erste Umgehungsmodelle sind im Versuchsstadium und in Realisation, und der Markt für Kettenpraxen wird sich auch hier langsam öffnen lassen. Deutschland wird gerade als Investitionsmarkt für Praxen zu erobern gesucht. Statistiken sagen, dass in England schon 15 Prozent der Zahnärzte in fremdfinanzierten Ketten organisiert sind, in Spanien acht Prozent, in Holland fünf Prozent. Besonders aus den Niederlanden greifen dort ansässige „Private Equity-Gesellschaften“ nach Deutschland über, aber auch allein für Deutschland gibt es aus Finanzanlagenriesen heraus hunderte Millionen, die auf einen Praxiskauf gerichtet sind.
Ende der Freiberuflichkeit des Berufsstandes?
Nein, nicht wirklich, aber eine Neuorientierung in vielen Bereichen schon. Erreichen die Finanzinvestoren in den nächsten fünf Jahren eine Repräsentanz von 15 Prozent, sind das über 10.000 Praxen in Deutschland, in Österreich wären es 1.000. Das sagen Fachleute des Marktes als realistisch voraus, konzentriert auf zwei bis drei Investorengruppen. Das sind vom Marktvolumen 2 Milliarden Euro Honorarsumme allein in Deutschland.
Neue Macht auf dem Dentalmarkt
Sie werden eine nicht unbedeutende Macht im Dentalmarkt und in der Berufspolitik erlangen. Sie können eine Marke für eine bestimmte Zahnheilkunde kreieren, z. B. präventiv-ganzheitlich, implantologisch bestimmt oder gesamtmedizinisch handelnd. Sie stellen eine Einkaufsmacht im Dentalhandel dar, bestimmen die Preise. Die digitalen Fortschritte öffnen ihnen viele Tore im gemeinsam ausgerichteten Handeln und in der Durchsetzung modernster zahnmedizinischer Technologien. Sie können Sonderverträge mit Kassen – privat und gesetzlich – schließen, mehr herausholen, Sonderleistungen verabreden. Sie können Kammerpolitik, geschlossen abstimmend, in neue Richtungen lenken. Der Einfluss von KZVen und Kammern in der Berufspolitik wird geschwächt. Die Zahnärzte werden, in Kettenpraxen eingebettet in ein starres Praxisführungskonzept, ein gesichertes Einkommen ohne finanzielle Verantwortung haben, mit flexiblen Arbeitszeiten rechnen können und rund ein Viertel bis ein Drittel – so bekannte Verträge – des Praxis-Honorarumsatzes „verdienen“. Eines ist aber auch sicher: Der „Freiberufler“ wird weiterhin dominant bleiben.
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