WIEN – Bisher musste man Kunststofffüllungen oft mühsam in mehreren Schichten auftragen und aushärten. Forscher der TU Wien haben nun gemeinsam mit einem der führenden Hersteller von innovativen Materialsystemen in der Dentalbranche eine Germanium-basierte Verbindung entwickelt, die diesen Vorgang deutlich vereinfacht.
Zahnfüllungen aus Amalgam sind aus der Mode gekommen. Meist verwendet man heute weiße Kunststofffüllungen, die optisch kaum vom Zahn zu unterscheiden sind. Gehärtet werden diese Materialien meist mit Licht, allerdings kann das Licht nicht unbeschränkt tief in das Material eindringen. Bisher musste man diese Füllungen daher oft mühsam in mehreren Schichten auftragen und aushärten. Die TU Wien und die Firma Ivoclar Vivadent haben nun gemeinsam eine Germanium-basierte Verbindung entwickelt, die diesen Vorgang deutlich vereinfacht – eine gute Nachricht für alle, die gerne möglichst wenig Zeit am Zahnarztstuhl verbringen wollen.
Zahnfüllmaterialien bestehen aus einem Mix ganz unterschiedlicher Stoffe (daher bezeichnet man sie auch als „Dentalkomposite“). Neben anorganischen Füllstoffen beinhalten sie meist auch Moleküle, die speziell auf Licht eines bestimmten Wellenlängenbereichs reagieren und relativ rasch aushärten, wenn man sie mit einer speziellen Lampe bestrahlt. Prof. Robert Liska beschäftigt sich mit seinem Team am Institut für Angewandte Synthesechemie der TU Wien schon lange mit solchen photoaktiven Molekülen – also Substanzen, die auf Licht reagieren. Sie kommen unter anderem auch bei modernen 3D-Druck-Verfahren zum Einsatz.
Die Eindringtiefe des Lichts in das Zahnfüllmaterial hängt u.a. von seiner Wellenlänge ab. „Meist verwendet man heute Licht in der Grenzregion zwischen ultraviolettem und sichtbarem Licht“, erklärt Robert Liska. Es gibt auch Alternativen, die mit längerwelligem Licht arbeiten, das tiefer eindringt, doch das wiederum ist weniger effektiv im Auslösen der notwendigen chemischen Reaktionen. Dringt das Licht nicht ausreichend tief ins Material ein, um die gesamte Füllung auf einmal zu härten, muss in mehreren Schritten gearbeitet werden. Das kann bei großen Kavitäten im Zahn unangenehm lange dauern.
Mit Hilfe einer Germanium-Verbindung konnte dieses Problem aber gelöst werden. Die Verbindung macht bloß 0,03% des Füllmaterials aus, spielt aber eine entscheidende Rolle. Das Molekül wird von blauem Licht in zwei Teile aufgespalten, dadurch entstehen Radikale, die eine Kettenreaktion auslösen: Die molekularen Bausteine, die bereits im Füllmaterial vorhanden sind, fügen sich zu Polymeren zusammen, das Material erhärtet.
Nachdem an der TU Wien dieser Germanium-basierte Photoinitiator synthetisiert werden konnte, wurde er von Ivoclar Vivadent ausführlich getestet, an der TU Graz wurde der physikalisch-chemische Mechanismus noch weiter erforscht. Die Durchhärtungstiefe konnte mit dem neuen Füllmaterial von bisher 2 mm auf 4 mm gesteigert werden – dadurch kann man die Behandlungszeit deutlich reduzieren.
Die Germanium-Verbindung ist eine wertvolle Substanz: Mit 20.000 Euro pro Kilo kostet sie immerhin mehr als die Hälfte wie Gold – doch nachdem nur winzige Mengen davon benötigt werden, ist das kein maßgeblicher Kostenfaktor für die Zahnbehandlung.
Die Entwicklung des neuen Füllmaterials ist nicht der einzige Erfolg der TU Wien im Bereich der Zahnmedizin in Zusammenarbeit mit der Ivoclar Vivadent AG: Bereits im Jahr 2012 wurde mit Unterstützung von Ivoclar Vivadent am Institut für Angewandte Synthesechemie gemeinsam mit dem Institut für Werkstoffwissenschaften und Werkstofftechnologie (Prof. Jürgen Stampfl) das Christian-Doppler-Labor „Photopolymers in digital and restorative dentistry“ gestartet. Seither werden dort sehr erfolgreich photosensitive Substanzen für die Zahnmedizin entwickelt bzw. auch am 3D-Druck von Keramikimplantaten geforscht.
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