DT News - Austria - Verbot von Bisphenol A-Babyflaschen begrüßt

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Verbot von Bisphenol A-Babyflaschen begrüßt

Babyflaschen, die mit Bisphenol A hergestellt werden, wird es in den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union bald nicht mehr geben. Österreich gehört zu den Ländern, die sich für ein entsprechendes Verbot eingesetzt haben. (Foto: Haveseen)
Yvonne Bachmann, DTI

Yvonne Bachmann, DTI

Mo. 6 Dezember 2010

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WIEN/BRÜSSEL – Ob Konservendosen, DVDs, Lebensmittelverpackungen oder Babyflaschen: Bisphenol A (BPA) findet sich in zahlreichen Alltagsgegenständen. Ein für die Europäische Union (EU) beschlossenes Verbot soll nun dafür sorgen, dass Babyflaschen nicht mehr mit der umstrittenen Chemikalie hergestellt werden dürfen. In Österreich wurde diese Entscheidung besonders positiv aufgenommen.

Gesundheitsminister Alois Stöger (SPÖ) ist nicht nur erfreut über den EU-Beschluss, sondern hat laut eigener Aussage einen nicht unbedeutenden Anteil daran gehabt. „Es ist mir durch massiven Druck gelungen, in der EU ein Verbot von Bisphenol A in Babyflaschen durchzusetzen“, sagte Stöger nach der Entscheidung. Er habe seine kritische Position bezüglich Bisphenol A in mehreren hochrangigen Gesprächen und Schreiben an die EU-Kommission ausgedrückt, heißt es in einer Presserklärung des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG).

Wegen seiner möglichen Risiken steht Bisphenol A, Ausgangsstoff für Polykarbonat-Kunststoffe und Epoxidharze, schon länger in der Kritik. Laut dem deutschen Umweltbundesamt soll es ähnlich wie das Sexualhormon Östrogen wirken. Als Folge könnten die embryonale Entwicklung gestört oder die Fortpflanzung beeinträchtigt werden. In Kanada, Dänemark und Frankreich wurden Bisphenol A-haltige Babyflaschen und andere Produkte bereits verboten.

Überraschendes Handeln
Das EU-weite Verbot kam jedoch recht überraschend. Erst Ende September hatte die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (European Food Safety Authority, EFSA), eine unabhängige wissenschaftliche Beratungs- und Kommunikationsstelle, die Chemikalie als unbedenklich eingestuft. Die Mitglieder des zuständigen EFSA-Gremiums berichteten, dass sie „keine neuen Erkenntnisse identifizieren konnten, die Anlass dazu geben würden, den aktuellen TDI-Wert (Tolerable Daily Intake, zulässige tägliche Aufnahmemenge) für BPA zu ändern.“ Sie wiesen jedoch auch auf neuere Studien hin, die von schädlichen Wirkungen auf Tiere berichteten. Diese waren während ihrer Entwicklung BPA-Dosen ausgesetzt worden, die deutlich unter denen lagen, die für die Bestimmung des aktuellen TDI-Wertes verwendet wurden. Bei den Tieren hatten Wissenschafter/-innen biochemische Veränderungen des Zentralnervensystems, Auswirkungen auf das Immunsystem sowie eine erhöhte Anfälligkeit für Brustkrebs festgestellt. In einer EFSA-Erklärung zur Unbedenklichkeit von Bisphenol A hieß es allerdings: „Diese Studien weisen zahlreiche Schwächen auf, sodass die Bedeutung für die menschliche Gesundheit gegenwärtig nicht beurteilt werden kann.“

Doch bereits zwei Monate nach der EFSA-Empfehlung entschied sich der Ständige Ausschuss für die Lebensmittelkette und Tiergesundheit für ein Produktionsverbot von Babyflaschen, die mit Bisphenol A hergestellt werden. Dem war ein entsprechender Vorschlag der EU-Kommission vorausgegangen. In den Ständigen Ausschüssen sitzen Experten/-innen der europäischen Fraktionen, die Beschlussvorlagen zu ihrem Themenbereich erarbeiten. Die EU-Kommission kann nach einem Mehrheitsbeschluss der im Ausschuss vertretenen Mitgliedsstaaten Maßnahmen beschließen.

Der Empfehlung der EFSA wurde im Fall Bisphenol A also nicht gefolgt. „Die EU-Kommission lehnt ihre Entscheidungen in der Regel an die Gutachten der EFSA an, ist aber nicht an deren Vorgaben gebunden“, erklärte eine Mitarbeiterin der Kommission im Gespräch mit der Dental Tribune. In diesem Fall hätten die Experten/-innen der Kommission bewusst eine andere Position eingenommen. Nun wollen die EU-Staaten die Produktion der Trinkflaschen ab März 2011 verbieten. Ab Juni folgt ein komplettes Import- und Vertriebsverbot.
EU-Gesundheitskommissar John Dalli begründete die Entscheidung mit aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen. „Neue Studien haben gezeigt, dass BPA auf das Immunsystem und Krebswachstum Einfluss nehmen könnte“, zitierte das Online-Portal der Ärzte-Zeitung aus Deutschland Dalli. Die Entscheidung sei eine gute Nachricht für europäische Eltern.

Verbot ausweiten
In Österreich war schon seit Längerem absehbar, dass die Produktion von Kleinkinderartikeln mit der umstrittenen Chemikalie Bisphenol A ein Ende haben würde. Im September hatte Gesundheitsminister Stöger angekündigt, ein nationales Verbot auszusprechen, wenn sich die EU trotz Zuständigkeit nicht bewege. Ganz zufrieden ist er mit dem EU-weiten Beschluss folglich auch nicht. In einer Presseerklärung des BMG kündigte der Sozialdemokrat jetzt an, die Chemikalie in der nationalstaatlichen Umsetzung auch noch in Babyschnullern zu verbieten. Die Verunsicherung der Mütter von Kleinstkindern müsse ein Ende haben, so der SPÖ-Politiker.

Auch für die österreichische Umweltschutzorganisation GLOBAL 2000 ist der Beschluss der EU lediglich ein erster Schritt in die richtige Richtung. „Das Verbot der Babyflaschen geht nicht weit genug. Neben dem in Österreich angekündigten Verbot sämtlicher mit Bisphenol A hergestellten Produkte für Kleinkinder fordern wir ein komplettes Verbot aller BPA-Produkte, die in den Kontakt mit Lebensmitteln kommen“, sagte Pressesprecher Jens Karg im Gespräch mit der Dental Tribune. Es gebe inzwischen genügend Studien, die zeigten, dass die Verseuchung der Menschen mit der Chemikalie überhandgenommen hat.

Dass das EU-weite Verbot von BPA-Babyflaschen auf Drängen Stögers beschlossen wurde, hält Karg für eher unwahrscheinlich. „Es hat viel Druck aus Österreich gegeben, aber auch von anderer Seite“, so der GLOBAL 2000-Pressesprecher. Letztendlich sei das Verbot sehr überraschend gekommen, denn es sei in der Tat ungewöhnlich, dass einer Empfehlung der ESFA nicht nachgekommen wird.

In Österreich steht vorerst die Gesundheit der Kinder im Vordergrund. Ob es irgendwann ein weitreichendes Verbot von BPA-Produkten geben wird, wird sich zeigen.

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