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Kleber von Meereskrebsen untersucht

Dosima fascicularis (Foto: Universität Wien)
Universität Wien/DT-Redaktion

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Di. 3 August 2010

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WIEN – In der Zahnmedizin wurde er ursprünglich erkannt und ist nun Forschungsobjekt eines internationalen Forscherteams: der Kleber von Meereskrebsen.

Ist ihr das Besetzen von Schiffen, Felsen oder Bojen zu langweilig, lässt sich die gestielte Meereichel, Dosima fascicularis, an selbstgebauten Flößen durch die Ozeane treiben. Der marine Krebs aus der Familie der Rankenfüßer verwendet klebrige Substanzen zur Haftung – die in synthetischer Form das Interesse von Medizin, Industrie und Technik wecken. Ao. Prof. Dr. Waltraud Klepal von der Fakultät für Lebenswissenschaften der Universität Wien untersucht in ihrem Projekt „Charakterisierung des Zements von Dosima fascicularis“ Entstehung und Zusammensetzung des Klebstoffs dieser Meerestiere.

Rankenfüßer sind die Seefahrer unter den Meerestieren: Die Krebse setzen sich gerne auf Schiffsrümpfen fest und verlangsamen dadurch die Fahrtgeschwindigkeit. Spät wurde der mögliche Nutzen der Tiere entdeckt; der natürliche Superkleber, mit dem sich die Krebse an nahezu allen Flächen festheften können. Ursprünglich erkannt wurde er von der Zahnmedizin, vermutlich daher wird der Klebstoff auch Zement genannt. „Mittlerweile ist der Bereich möglicher Anwendungen und das Interesse der Industrie weiter gewachsen“, erklärt Ao. Prof. Dr. Waltraud Klepal, Professorin der Core Facility für Cell Imaging und Ultrastrukturforschung an der Fakultät für Lebenswissenschaften der Universität Wien. Mit ihrem Team untersucht die Biologin im Rahmen des Projekts „Charakterisierung des Zements von Dosima fascicularis“ die Entstehung und Zusammensetzung des Klebstoffs der gestielten Meereichel aus der Familie der Rankenfüßer. Die Untersuchung ist ein Projekt des Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (FWF).

Wasserfest
Um zu verstehen, wie diese Krebsart den Zement produziert, durchleuchtet Klepal die Tiere bis auf die kleinste Zelle: „Mit dem Elektronenmikroskop untersuchen wir die Zementdrüsen, das ausleitende Gangsystem und den Zement innerhalb und außerhalb der Zelle.“ Mit Semidünnschnitten von einem halben bis einem Mikrometer Dicke sowie Ultradünnschnitten von nur 60 bis 70 Nanometern erforscht das Team die Zementzelle im Detail. „Der weiche Zement erhärtet, sobald er nach außen gelangt – ähnlich einem Superkleber“, erklärt Projektmitarbeiterin Vanessa Zheden. Nicht viele Klebstoffe sind bekannt, die im Wasser erhärten. Denn meist ist es problematisch, feuchte Oberflächen zu verkleben. Wodurch der Zement aushärtet, ist deshalb eine zentrale Frage des Projekts. „Handelt es sich um einen Zwei- oder Ein-Komponentenkleber, einen Reaktionsklebstoff – der eine chemische Reaktion zur Aushärtung benötigt –, eine Dispersion oder einen physikalisch abbindenden Klebstoff“, sagt Ao. Prof. Dr. Klepal die verschiedenen Möglichkeiten.

Mobile Krebse
Mit dem Sekret kann sich Dosima fascicularis aber nicht nur an Felsen, Schiffen oder Bojen – und somit an verschiedenen Oberflächenstrukturen – festheften. Sie hat im Laufe der Evolution gelernt, den Zement als Floß zu verwenden und sich damit im Wasser treiben zu lassen. „Das ist biologisch gesehen großartig“, so Ao. Prof. Dr. Klepal: „Die eigentlich festsitzenden Tiere, die sonst auf Wasserbewegung angewiesen sind um sich ernähren und fortpflanzen zu können, werden auf diese Weise mobil.“ Möglich macht dies die Struktur des Zements, dessen Inneres mit kleinen Blasen gefüllt ist.

Aus der Natur in die Industrie
Sobald die Zusammensetzung des natürlichen Klebstoffs bekannt ist, kann er auf synthetischem Weg hergestellt werden. Neben der Zahnmedizin ist der Zement auch für die Allgemeinmedizin, die Chirurgie sowie die Tiermedizin interessant. "Der Klebstoff könnte bei der Heilung von Schnittwunden die Nähte oder bei Knochenbrüchen Nägel und Schrauben ersetzen", erklärt Klepal. Da der Klebstoff besonders widerstandsfähig, elastisch und komprimierbar ist, könnte er auch in Industrie und Technik – unter anderem für Unterwasserkonstruktionen – Anwendung finden.

Kooperation zwischen Österreich, Deutschland und Irland
Während sich die Forscher/-innen in Wien um die Morphologie – Struktur und Form – der Tiere und deren Klebstoff kümmern, untersuchen die KooperationspartnerInnen am Fraunhofer-Institut für Fertigungstechnik und Angewandte Materialforschung in Bremen den biochemischen Aufbau des Zements. Die Histochemie (Identifikation von chemischen Gruppen und Komponenten) wird an der National University of Ireland durchgeführt. Das Forschungsprojekt ist bis 2012 anberaumt.
 

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