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Unbekannter Schmerzherd

Hirnareale, die bei Stimulation des linken oberen Eckzahnes (orange oder grün) bzw. des linken unteren Eckzahnes (blau oder grün) aktiviert wurden. Es zeigt sich, dass viele Areale durch beide Stimulationsarten aktiviert wurden. Dies fand sich vor allem in Hirnstrukturen des limbischen Systems wie beispielsweise des Cingulums und der Insel. Zu erkennen ist auch Aktivierung der primären sensorischen Rinde S1 in beiden Hirnhälften sowie die relativ geringen Unterschiede zwischen schmerzhaftem Input von Ober- und Unterkiefer. Die beiden Pfeile kennzeichnen die Orientierung rechts-links bzw. anterior-posterior (Grafik: Prof. Dr. C. Forster).
Anja Worm, DTI

Anja Worm, DTI

Mo. 10 Mai 2010

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LEIPZIG – Eine neue Studie zeigt, dass das Gehirn nur schwer zwischen einem Zahnschmerz im Ober- und Unterkiefer unterscheiden kann.

Die Ergebnisse, die in der Fachzeitschrift PAIN Ende April veröffentlicht wurden, belegen, warum  Patienten/-innen nicht sagen können, wo genau der Schmerzherd liegt. Die Untersuchung wurde von
der finnischen Universität Turku und der Universität Erlangen-Nürnberg unter der Leitung von Prof. Dr. Clemens Forster vorgenommen. Die Wissenschafter/-innen analysierten mithilfe eines bildgebenden  Verfahrens die Gehirnaktivitäten bei einem Schmerzreiz. Den Probanden/-innen wurden in die Eckzähne, jeweils im Ober- und Unterkiefer, elektrische Impulse geleitet, die Schmerzen verursachten.

Ziel der Untersuchung war es herauszufinden, wie die zentrale Verarbeitung des Zahnschmerzes ist,  und welche Unterschiede es zu anderen Schmerzen gibt. „Wir wollen verstehen, wie die zentrale Verarbeitung des Schmerzerlebens erfolgt, um diese dann mit pathologischen Formen zu vergleichen, zum Beispiel bei  Patienten mit chronischem Schmerz“, so Prof. Dr. Forster vom Institut für Physiologie und Pathophysiologie der Universität Erlangen gegenüber der Dental Tribune. Wenn erforscht sei, welche neurochemischen Prozesse durch den Schmerz ausgelöst werden, könne man versuchen pharmakologisch einzugreifen.

Reflex geht verloren
Das internationale Forscherteam fand heraus, dass viele Hirnareale, die die Steuerung der  Aufmerksamkeit und der autonomen Reflexe regulieren, vom Zahnschmerz betroffen sind. Auch auf der  Region des Hirnstammes, auf dem Kerne zur Steuerung der Kopfmotorik – dazu gehört auch der  Speichelfluss – aktiviert werden, haben die Forscher/-innen Reflexe erfassen können. Das wichtigste Ergebnis ist jedoch, dass die kortikale Aktivierung der Schmerzen im Unter- und Oberkiefer ähnlich ist. Das  Gehirn kann also kaum unterscheiden, ob ein Zahnschmerz vom Ober- oder vom Unterkiefer ausgeht.  Noch auf der ersten Verarbeitungsstufe, im trigeminalen Kern des Hirnstammes, sei laut Prof.  Dr. Forster die Somatotopie – also eine räumlich deutlich getrennte Verarbeitung des Inputs aus  Ober- und Unterkiefer – nachweisbar. „Diese Trennung geht offensichtlich verloren auf dem Weg in den  Kortex“, sagte der Studienleiter. „Eine Erklärung für die fehlende kortikale Somatotopie könnte sein,  dass diese Areale von gesunden Zähnen wenig Input erhalten, der aber für die Ausbildung einer  Somatotopie wie bei einem Lernvorgang erforderlich ist. Andererseits ist das vielleicht ganz gut so, denn  viel Input aus der Zahnpulpa würde viel Schmerz bedeuten.“

Dem Zahnschmerz „ausgeliefert“
Zahnschmerzen unterscheiden sich von den meisten gängigen Körperschmerzen. Die Ursache dafür  liegt in der Innervation der Zahnpulpa, die aus unmyelinisierten oder dünn myelinisierten Fasern  besteht. „Bei Reizung der Pulpa fehlt somit der Input von Mechanosensoren, der bei Hautschmerz  praktisch immer dabei ist“, so Prof. Dr. Forster. „Diese Schmerzform ist bei den meisten Menschen mit  einer gewissen Aversion verbunden, was übrigens für praktisch alle Schmerzen gilt, die aus dem  viszeralen Bereich stammen, wozu auch die Mundhöhle gehört.“ Anders als Schmerzen, die durch eine  äußere Einwirkung bedingt sind, fühle man sich dem Zahnschmerz „ausgeliefert“.

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