Bonn - Wissenschaftlern ist es gelungen, die Kaubewegung eines frühen Säugetiers zu rekonstruieren, das vor knapp 150 Millionen Jahren gelebt hat. Demnach arbeitete sein Gebiss äußerst präzise und mit erstaunlich hoher Effizienz.
Wissenschaftlern ist es gelungen, die Kaubewegung eines frühen Säugetiers zu rekonstruieren, das vor knapp 150 Millionen Jahren gelebt hat. Demnach arbeitete sein Gebiss äußerst präzise und mit erstaunlich hoher Effizienz.
Paläontologen der Universität Bonn ist es gelungen, die Kaubewegung eines frühen Säugetiers zu rekonstruieren, das vor knapp 150 Millionen Jahren gelebt hat. Demnach arbeitete sein Gebiss äußerst präzise und mit erstaunlich hoher Effizienz. Möglicherweise stellte sich aber gerade dieser Punkt im Zuge der Evolution als Nachteil heraus. Die Studie erscheint in der Zeitschrift „Scientific Reports“.
Mit gerade einmal zwanzig Zentimetern Länge gilt das Mauswiesel als das weltweit kleinste heute lebende Raubtier. Der Säuger, den die Wissenschaftler der Universität Bonn jetzt untersucht haben, dürfte kaum größer gewesen sein. Allerdings ist die Art, zu der es zählt, schon lange ausgestorben: Priacodon fruitaensis (so der wissenschaftliche Name) lebte vor knapp 150 Millionen Jahren, zu einer Zeit, als die Saurier die Tierwelt beherrschten und der Siegeszug der Säugetiere noch bevorstand.
Die Paläontologen vom Institut für Geowissenschaften der Universität Bonn haben in ihrer Studie Teile des Ober- und Unterkieferknochens eines fossilen Exemplars analysiert. Genauer gesagt: seine Backenzähne. Denn aus denen können Kenner einiges ablesen – nicht nur zu der Frage, wovon sich das Tier ernährte, sondern auch zu seiner Stellung im Stammbaum. Bei P. fruitaensis ist jeder von ihnen kaum größer als ein Millimeter. Dem unbewaffneten Auge bleiben die meisten ihrer Geheimnisse daher verborgen.
Die Bonner Wissenschaftler nutzten deshalb eine spezielle Tomografie-Methode, um hochaufgelöste dreidimensionale Bilder der Zähne anzufertigen. Diese sogenannten Micro-CT-Aufnahmen werteten sie dann unter anderem mithilfe einer Spezialsoftware aus, die am Bonner Institut mitentwickelt wurde. „Bislang war unklar, auf welche Weise die Zähne in Ober- und Unterkiefer genau ineinandergreifen“, erklärt Prof. Dr. Thomas Martin, der an der Uni Bonn den Lehrstuhl für Paläontologie bekleidet. „Wir konnten diese Frage nun beantworten.“
Im Ober- und Unterkiefer gibt es jeweils mehrere Backenzähne, fachsprachlich auch als Molaren bezeichnet. Bei den Vorläufern der Säugetiere biss Molar 1 des Oberkiefers beim Kauen genau auf Molar 1 des Unterkiefers. Bei weiter entwickelten Säugern sind die Zahnreihen jedoch gegeneinander verschoben. Molar 1 oben trifft daher beim Zubeißen unten genau zwischen Molar 1 und Molar 2 auf, sodass er mit zwei statt mit einem Molaren in Kontakt gerät. Doch wie sah es bei dem frühen Säugetier P. fruitaensis aus?
„Wir haben am Rechner beide Möglichkeiten miteinander verglichen“, erklärt Kai Jäger, der in der Arbeitsgruppe von Thomas Martin seine Doktorarbeit geschrieben hat. „Dabei zeigte sich, dass das Tier wie ein moderner Säuger zugebissen hat.“ Die Wissenschaftler simulierten für beide Alternativen die gesamte Kaubewegung. Bei der ursprünglicheren Variante wäre der Kontakt zwischen Ober- und Unterkiefer zu gering gewesen, als dass die Tiere die Nahrung hätten effizient zerkleinern können. Anders bei der „moderneren“ Alternative: Bei ihr glitten die Schneidkanten der Backenzähne beim Kauen aneinander vorbei wie die Klingen einer Zackenschere, die Kinder heute zum Basteln verwenden.
Mit seinem Gebiss war es für P. fruitaensis daher wohl ein Leichtes, das Fleisch seiner Beute zu zerschneiden. Ein reiner Fleischfresser war das Tier aber wohl nicht: Seine Backenzähne weisen kegelförmige Erhöhungen auf, ähnlich wie die Gipfel eines Berges. „Solche Höcker eignen sich besonders gut, um Insektenpanzer zu perforieren und zu zerquetschen“, sagt Jäger. „Sie finden sich daher auch bei heutigen Insektenfressern.“ Die Kombination aus Fleisch- und Insektenfresser-Gebiss sei in dieser Form aber wohl einmalig.
Die Höcker sind auch in anderer Hinsicht auffällig: Sie sind in allen Backenzähnen praktisch gleich groß. Dadurch war das Gebiss äußerst präzise und effizient. Diese Vorteile hatten jedoch ihren Preis: Kleine Änderungen in der Struktur der Höcker hätten die Kau-Leistung vermutlich dramatisch verschlechtert. „Das erschwerte möglicherweise eine Weiterentwicklung des Zahnapparats“, sagt Jäger.
Tatsächlich hat sich diese Art des Gebisses in bestimmten Linien der Evolutionsgeschichte über einen Zeitraum von 80 Millionen Jahren fast unverändert erhalten. Irgendwann sind seine Besitzer aber ausgestorben – vielleicht auch deshalb, weil sich ihre Zähne nicht an veränderte Nahrungsbedingungen anpassen konnten.
Förderung
Die Studie wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft im Rahmen der Forschungsgruppe 771 „Function and performance enhancement in the mammalian dentition—phylogenetic and ontogenetic impact on the masticatory apparatus“ gefördert. Darüber hinaus erhielt sie eine Förderung durch die National Science Foundation der USA.
Quelle: Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, Institut für Geowissenschaften, Abteilung Paläontologie, Universität Bonn
Originalpublikation:
Kai R. K. Jäger, Richard L. Cifelli & Thomas Martin: Molar occlusion and jaw roll in early crown mammals; Scientific Reports, DOI: 10.1038/s41598-020-79159-4
Weitere Informationen:
https://www.nature.com/articles/s41598-020-79159-4 Originalpublikation in "Scientific Reports"
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