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Ohne Strahlenbelastung: Kieferorthopädische Behandlungsplanung

Bisher ist die Aufnahme eines Röntgenbildes gängige Praxis, wenn bei Kindern und Jugendlichen möglicherweise die Zahnstellung korrigiert werden muss. © oles_photo – stock.adobe.com
Universitätsklinikum Heidelberg

Universitätsklinikum Heidelberg

Di. 8 August 2017

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HEIDELBERG – Bisher ist die Aufnahme eines Röntgenbildes gängige Praxis, wenn bei Kindern und Jugendlichen möglicherweise die Zahnstellung korrigiert werden muss. Der Kieferorthopäde bestimmt Winkel und Abstände zwischen sogenannten Landmarken – wichtigen anatomischen Punkten im Ober- und Unterkiefer – um festzustellen, ob es pathologische Veränderungen in der Entwicklung gibt und um die kieferorthopädischen Maßnahmen zu planen.

Wissenschaftler des Universitätsklinikums Heidelberg um Professor Dr. Martin Bendszus, Ärztlicher Direktor der Abteilung Neuroradiologie, und Professor Dr. Christopher J. Lux, Ärztlicher Direktor der Poliklinik für Kieferorthopädie, veröffentlichten nun in der renommierten Online-Fachzeitschrift PLOS ONE die Ergebnisse einer Studie, die von der Dietmar Hopp Stiftung mit 198.000 Euro unterstützt wird. Es konnte gezeigt werden, dass diese Landmarken mit der Magnetresonanztomographie (MRT) ebenso exakt wie im Röntgenbild vermessen werden können: „Wir hatten im Vergleich zum Goldstandard – dem Röntgenbild – nur sehr geringe Unterschiede, die im Rahmen der üblichen tolerablen Standardabweichung liegen. Der große Vorteil der MRT ist jedoch, dass sie ohne Strahlenbelastung auskommt. Auch wenn die Röntgenbelastung bei zahnärztlichen Untersuchungen gering ist, möchte man sie insbesondere bei Kindern und Jugendlichen so weit wie möglich reduzieren“, sagt Prof. Dr. Martin Bendszus, der das Verfahren nun in eine breitere Anwendung bringen möchte. Dieser Vorteil kann künftig auch insbesondere dann zum Tragen kommen, wenn bei spezifischen kieferorthopädischen Fragestellungen, zum Beispiel stark im Knochen verlagerte Zähne, eine 3-D-Bildgebung erforderlich ist.

In nur 10 Minuten und ohne Kontrastmittel und Strahlenbelastung zum exakten Bild

Untersucht wurden im Rahmen der Studie 20 Jugendliche im Alter von 8 bis 26 Jahren, von denen eine MRT-Aufnahme und ein Röntgenbild angefertigt wurden. Zwei Experten markierten unabhängig voneinander 18 wichtige Landmarken im Kiefer. Ein spezielles Computerprogramm errechnete dann daraus 14 Winkel und 10 Distanzen, die für eine kieferorthopädische Behandlungsplanung wichtig sind. Ein Vergleich der Daten zeigte eine Abweichung von maximal 3 Grad bei den Winkeln und maximal 3 Millimetern bei den Distanzen zwischen Röntgenbild und MRT – Unterschiede, die im Toleranzbereich von bildgebenden Verfahren liegen. Insbesondere für die jungen Patienten ist die kurze Aufnahmezeit von unter zehn Minuten bei der in Heidelberg weiterentwickelten MRT-Technik von Vorteil. Die Verabreichung eines Kontrastmittels ist nicht erforderlich. Derzeit wird die Methode in weiteren klinischen Studien erprobt. Medizinreferentin Dr. Ingrid Rupp: „Wir begrüßen, dass Kinder von den Forschungsergebnissen profitieren und die Untersuchungen weniger belastend werden können.“

MRT-Bilder zeigen Knochen und Weichteile

„Grundlage dieser Vergleichsstudie waren schnelle dreidimensionale MR-Techniken, mit denen Ober- und Unterkiefer sowie weitere für die Behandlungsplanung relevante Strukturen in hoher räumlicher Auflösung dargestellt werden können“, sagt Frau Prof. Dr. Sabine Heiland, Leiterin der Sektion Experimentelle Radiologie und Hauptantragstellerin des von der Dietmar Hopp Stiftung geförderten Projekts. „Ein weiterer wesentlicher Schritt war die Umwandlung der dreidimensionalen MRT-Bilder auf eine zweidimensionale Projektion analog zum Röntgenbild. Wir haben die Bilder sozusagen künstlich reduziert, um sie überhaupt mit den Röntgenbildern vergleichen zu können“, erklärt Frau Prof. Dr. Sabine Heiland.

Die Heidelberger Experten sehen großes Potenzial in der neuen Methode. „Wir können die Diagnostik verbessern, denn in Zukunft bieten wir im Rahmen klinischer Studien auch 3-D-Analysen an, die nochmals deutlich genauer sind.“, so Prof. Bendszus. Prof. Lux ergänzt: „Im Gegensatz zum Röntgenbild erhalten wir auch zusätzliche Informationen zu den Weichteilen wie zum Beispiel Muskeln und Zahnhalteapparat, was künftig die kieferorthopädische Behandlungsplanung beeinflussen kann.“

Die Kieferorthopädie ist nach Ansicht der Wissenschaftler nur ein Teil der zukünftigen Anwendungsmöglichkeiten bei Kindern: „Es gibt auch andere Indikationen, zum Beispiel Verlaufskontrollen der Zähne nach Unfällen oder die Frage nach Zahnentwicklungsstörungen, die auch eine Einbindung der anderen zahnärztlichen Fächer, z. B. Zahnerhaltung, Zahnärztliche Prothetik und Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie sinnvoll erscheinen lässt, was gerade Gegenstand weiterer klinischer Studien ist“, so Prof. Lux. Das Verfahren der Dental-MRT ist somit nicht nur für Kinder geeignet, sondern kann in der Zahnheilkunde auch beim Erwachsenen wichtige Zusatzinformationen ohne Strahlenbelastung liefern. Gerade bei häufigen Zahnerkrankungen wie der Parodontitis oder Lockerungen von Zahnimplantaten kann die MRT durch den hervorragenden Weichteilkontrast bereits früh die Diagnose stellen bevor Veränderungen im Knochen auftreten, die man dann erst im Röntgenbild sehen kann. Diese Möglichkeiten haben die Heidelberger Wissenschaftler in Pilotstudien gezeigt, weitere Studien dazu laufen.

Literatur
Heil A, Lazo Gonzalez E, Hilgenfeld T, Kickingereder P, Bendszus M, Heiland S, Ozga AK, Sommer A, Lux CJ, Zingler S: Lateral cephalometric analysis for treatment planning in orthodontics based on MRI compared with radiographs: A feasibility study in children and adolescents. PLoS One. 2017. doi.org/10.1371/journal.pone.0174524

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