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Folgen der Pandemie auf die Mundgesundheit

Während der ersten Welle des COVID-19-Ausbruchs waren Zahnarztpraxen auf der ganzen Welt gezwungen zu schließen. © Olena Yakobchuk - Shuttertock.com
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Fr. 2 April 2021

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GENF - Mehr Karies und fortgeschrittenere Zahnfleischerkrankungen: Veränderte Tagesabläufe, Menschen vernachlässigen das zweimalige Zähneputzen pro Tag, naschen zwischen den Mahlzeiten zu Hause und gehen nicht zum Zahnarzt.

Im Rahmen des Weltmundgesundheitstages (WOHD) und ein Jahr nach dem Ausbruch der Pandemie berichten Verbands- und Ratsmitglieder der FDI, dass sie die katastrophalen Auswirkungen des Virus auf die Gesundheit der Zähne und des Zahnfleisches der Menschen rund um die Welt beobachten können.

„Nennen wir das Kind beim Namen: Es ist eine zahnmedizinische Katastrophe“, sagt Dr. Gerhard Konrad Seeberger, Präsident der FDI World Dental Federation. „Die Einschränkungen haben sicherlich eine Rolle bei der Zurückhaltung in Sachen Mundgesundheit gespielt, das ist jedoch längst nicht alles.“

Während der ersten Welle des COVID-19-Ausbruchs waren Zahnarztpraxen auf der ganzen Welt gezwungen zu schließen. Zwei bis drei Monate lang mussten alle zahnärztlichen Termine verschoben oder abgesagt werden, dringende Notfallbehandlungen ausgenommen. Die WHO berichtete, dass die Leistungen für die Mundgesundheit bei der medizinischen Grundversorgung zu den am stärksten von der Pandemie beeinträchtigten Bereichen gehören. In 77 Prozent der Länder wurden diese Leistungen teilweise oder vollständig ausgesetzt.

Zwischen der ersten und zweiten Welle konnten die Zahnarztpraxen in vielen Ländern wieder öffnen. Zahnärzte haben sich stets an die strengsten Sicherheitsmaßnahmen zur Infektionsprävention und -kontrolle gehalten und auch die während der COVID-19-Pandemie von den Regierungen angeordneten Hygienemaßnahmen dahingehend überarbeitet. Zudem zeigt eine kürzlich durchgeführte Umfrage, dass zahnärztliches Personal in den meisten Teilen der Welt deutlich niedrigere SARS-CoV-2-Infektionsraten aufweist als Mitarbeiter in anderen Bereichen des Gesundheitswesens.

Trotzdem meiden viele Menschen Routineuntersuchungen und gehen erst dann zum Zahnarzt, wenn sie starke Schmerzen haben. Viele haben dann bereits fortgeschrittene Karies und damit verbundene Komplikationen – etwa Infektionen – entwickelt, was die Behandlung komplexer macht.

Heute sehen sich Zahnärzte mit den Folgen eines ganzen Jahres unterbrochener zahnärztlicher Versorgung und Behandlung konfrontiert. Prof. Paulo Melo, ein FDI-Ratsmitglied, das in Porto, Portugal, Zahnmedizin lehrt und praktiziert, berichtet von einem Dutzend Hochrisikopatient*innen, die ihre Termine verschoben haben, weil sie Angst hatten, sich mit COVID-19 zu infizieren. Hochrisikopatient*innen wird empfohlen, alle drei bis sechs Monate eine zahnärztliche Untersuchung durchführen zu lassen. Stattdessen haben viele Patient*innen neun Monate bis zu einem Jahr oder mehr zwischen den Terminen verstreichen lassen. Viele berichteten von starken Zahnschmerzen und Komplikationen, die bei einigen zu Extraktionen oder Wurzelbehandlungen führten.

„Während der Pandemie haben Risikopatient*innen meist mehr als nur ein Problem entwickelt, oft waren es drei oder vier gleichzeitig, weil zu viel Zeit ohne eine Kontrolluntersuchung vergangen ist“, erklärt Melo. „Zu den typischen Problemen gehören Kariesläsionen und Zahnfleischerkrankungen.“

„Karies, die mit einer einfachen Restauration hätte behandelt werden können, ist so in das Stadium der apikalen Parodontitis und in Abszesse übergegangen, die eine anspruchsvollere Behandlung erfordern“, erläutert Dr. Vanishree MK, Professorin für Zahnmedizin im öffentlichen Gesundheitswesen in Bangalore, Indien. „Die Patient*innen sollten ihre Angst überwinden und wichtige, routinemäßige Zahnbehandlungen nicht aufschieben.“

„Zu den dramatischen Folgen der Pandemie gehört auch, dass Probleme der Mundgesundheit, die während des Ausbruchs der Pandemie nicht als dringlich erachtet wurden, tatsächlich dringlich wurden, nachdem zwei Monate auf eine Behandlung gewartet werden musste“, betont Dr. Maria Fernanda Atuesta Mondragon, Präsidentin des kolumbianischen Zahnärzteverbands (FOC) und FDI-Ratsmitglied. „Wir haben einige Kieferorthopädie-Patient*innen gesehen, bei denen sich die Lücken, welche für die Begradigung ihrer Zähne geschaffen wurden, wieder geschlossen haben. Gleichzeitig konnten sich andere erhebliche parodontale Probleme entwickeln.“

„Teenager leiden generell unter Karies, und ich habe in dieser Altersgruppe einen Anstieg des Zahnverfalls beobachtet“, berichtet Dr. Nahawand Abdulrahman Thabet, der in Kairo, Ägypten, praktiziert und FDI-Ratsmitglied ist. „Ein 15-jähriger Patient von mir gab zu, dass er seit der Schließung seiner Schule mehr nasche, während er zu Hause festsitzt. Ich kann mir vorstellen, dass sich Tausende von Kindern in seinem Alter in einer ähnlichen Situation befinden.“

Die wiederholten Lockdowns, Einschränkungen der Bewegungsfreiheit und Homeoffice-Anordnungen während der Pandemie haben allesamt zu einer Änderung der täglichen Gewohnheiten und Verhaltensweisen beigetragen, was sich letztlich auch auf die Mundgesundheit der Menschen auswirkt.

Das Vorleben guter Mundpflegegewohnheiten wie morgendliches und abendliches Zähneputzen ist unerlässlich, wie eine globale Forschungsstudie1 von Unilever zeigt, die feststellte, dass Kinder das Verhalten ihrer Eltern zum Nachteil ihrer eigenen Gesundheit nachahmen. Die Wahrscheinlichkeit, dass Kinder das Zähneputzen vernachlässigen, ist sieben Mal höher, wenn ihre Eltern nicht jeden Morgen und Abend Zähne putzen. Die befragten Zahnärzte waren sich einig, dass die Änderung der Mundpflegegewohnheiten bei Kindern auf die veränderten Routinen der Eltern zurückzuführen sei. Trotz der anhaltenden Herausforderungen durch die Pandemie ist es entscheidend, dass Eltern ihrer eigenen Mundpflegeroutine ebenso wie der ihrer Kinder Priorität einräumen.

Dr. Seeberger betont, dass „die Menschen keine Angst vor dem Zahnarztbesuch haben sollten. Die Erhaltung der Mundgesundheit ist von größter Bedeutung, um die allgemeine Gesundheit, das Wohlbefinden und eine gute Lebensqualität zu gewährleisten.“

1 Unilever Global Research Summary Report 2021: Attitudes, Behaviours and Experiences of Oral Health During the COVID-19 Pandemic wurde von November bis Dezember 2020 mit 6.734 Eltern in 8 Ländern (Bangladesch, Ägypten, Frankreich, Indien, Indonesien, Italien, Ghana und Vietnam ) durchgeführt.

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