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Zukunft der Zahnmedizin

Bohren muss nicht sein, wenn Prophylaxe ernst genommen wird. (Foto: Monkey Business Images)
Dr. Klaus-Dieter Bastendorf, Deutschland

Dr. Klaus-Dieter Bastendorf, Deutschland

Mo. 13 September 2010

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EISLINGEN – Demoskopische und ökonomische Voraussagen prophezeien der Medizin eine große Zukunft. Um diesem Anspruch gerecht zu werden, muss sich die Erkenntnis durchsetzen, dass neben reinen Fachkenntnissen auch ein (gewisses) Maß an sozialen, kommunikativen und organisatorischen Fähigkeiten notwendig sein wird.

Zukunftsforscher wie Matthias Horx und Corinna Mühlhäusen sagen der Medizin eine große Zukunft voraus: „Niemals in der Geschichte der Menschheit hatte die Gesundheit einen so hohen Stellenwert wie heute. Für den mündigen Kundenpatienten wird die Beschäftigung mit der Gesundheit zur Lebensaufgabe.“ [1] Wirtschaftswissenschafter wie Erik Händeler sehen im Gesundheitswesen einen wichtigen, wenn nicht gar den wichtigsten Wachstumsmarkt der Zukunft: „Neben der Informationstechnik ist das Gesundheitswesen der größte Wachstumsmarkt.“ [2] Die Medizin der Zukunft wird an Patienten/-innen, die Gesellschaft und Ärzte/-innen neue Anforderungen stellen, mehr Optionen und damit mehr Freiheit bieten. Die Patienten/-innen werden für einen Zuwachs an Therapiefreiheit und Eigenverantwortung für ihre Gesundheit mehr Zeit und mehr eigene Mittel einsetzen müssen.

Zukunft Zahnmedizin
Die Zukunft der Zahnmedizin spiegelt sich in der Forschung von heute wider. Ein Trend zeichnet sich deutlich ab: Die Zahnmedizin ist von einer Annäherung an die Humanmedizin gekennzeichnet. [3] Aufgrund der Gleichheit von molekularen Mechanismen und Wechselwirkungen in der Pathogenese von Krankheiten oraler Gewebe und denen anderer Organe haben schon in der jüngeren Vergangenheit Forschungsergebnisse aus der Medizin ihre Auswirkungen auch auf die zahnmedizinische Forschung gehabt. In der Zukunft wird die Erfassung des menschlichen Genoms, die Identifizierung aller Gene, ihrer jeweiligen Funktion und Kontrolle von Bedeutung sein und die Humanmedizin wie die Zahnmedizin gleichermaßen betreffen. Diese Entwicklung zeigt der Paradigmenwechsel in der Parodontologie, der in den 90er-Jahren einsetzte, bereits heute. Das Hauptinteresse in der Parodontologie gilt inzwischen der Wirtsreaktion auf den bakteriellen Angriff und genetisch determinierten Parodontitisrisikofaktoren. [4] Bereits heute sind die Ätiologien und die meisten wichtigen, modifizierenden Faktoren der Karies und der parodontalen Erkrankungen wissenschaftlich gut erfasst. [5] Die Zukunft der Zahnmedizin wird von der Prävention und Prophylaxe geprägt sein, wie bereits 1981 Dr. Jan Lindhe feststellte: „ Die traditionelle, symptomatische zahnärztliche Therapie kann weder das Auftreten von Karies und parodontalen Erkrankungen noch das Wiederauftreten von Karies und parodontalen Erkrankungen verhindern.“

Vorbereitet in die Zukunft?
Rückfragen bei Zahnärzten/-innen und ihren Mitarbeiterinnen, die im Laufe der vergangenen zwölf Jahre in unserer Ordination Fortbildungskurse zum Thema „Prophylaxe in der Allgemeinordination“ belegt hatten, sowie eine Umfrage der Zahnärztekammer Westfalen-Lippe, [6] lassen nur einen Schluss zu: „Der zentrale Engpass bei der Integration der Prävention in den Ordinationsalltag ist der Ordinationsinhaber selbst.“ Er ist nicht bereit, sein kuratives Konzept zu überdenken; er spricht zu wenig mit seinen Patienten/-innen und seinem Team; er ist es nicht gewohnt, im Team zu arbeiten und den Patienten als gleichberechtigten Partner zu akzeptieren; es mangelt ihm an strategischen und kommunikativen Fähigkeiten. Um der Prävention den ihr gebührenden Stellenwert zukommen zu lassen, sind die Probleme zu lösen.

Zuerst ist es wichtig, die zahnärztliche Ausbildung dahingehend zu ändern, dass sich die Hochschule von dem Irrglauben befreit, dass Restaurationen ein Zeichen von oraler Gesundheit sind. Die Ausbildung und ihre Vorschriften müssen so geändert werden, dass die Präventionstherapie zum zentralen Thema wird. Darüber hinaus muss für die erfolgreiche Praktizierung der Ordinations-Präventions-Konzepte eine gute Ausbildung der Mitarbeiterinnen sichergestellt sein. Diese Aus- und Fortbildung muss dual erfolgen: Die externe Ausbildung ist Aufgabe der Kammern, die interne muss dazu führen, dass das gesamte Team das gleiche Grundwissen besitzt – so ist es möglich, den Patienten/-innen gegenüber die gleiche Sprache zu sprechen. Neben der Aneignung der fachlichen Grundkenntnisse wird der Kommunikation in Zukunft eine entscheidende Bedeutung bei der Integration der Prophylaxe in den Ordinationsalltag zukommen. Wer davon lebt, mit Menschen umzugehen, muss Kommunikationsfähigkeit mitbringen oder sich diese aneignen. Präventive Zahnheilkunde basiert auf Information und Kooperation. Sind die Wissens- und Kommunikationsdefizite behoben, d.h. ist der fachliche Paradigmenwechsel erfolgt, so muss diesem noch ein organisatorischer Paradigmenwechsel folgen. Da den meisten Zahnärzten/-innen die strategischen, organisatorischen und betriebswirtschaftlichen Grundvoraussetzungen fehlen, werden externe professionelle Dienstleister diesen nicht unwichtigen Teil zur Integration der Individualprophylaxe in den Ordinationsalltag übernehmen.

Fazit
Die Idee der Gesundheitsfürsorge geriet vor allem im vergangenen Jahrhundert, durch die Entwicklung medizinischer Techniken, immer mehr in den Hintergrund. Moderne Medizin war bzw. ist leider von kurativem Denken und Vorgehen geprägt. In der Medizin widersprechen sich viele präventive Konzepte immer noch, da die Ätiologien der einzelnen Erkrankungen nicht ganz geklärt oder unbekannt sind. In der Zahnmedizin dagegen sind die primären Entstehungsfaktoren für Karies, Gingivitis und Parodontitis weitgehend bekannt. Die multikausale Genese dieser Erkrankung bedingt eine multifaktorielle Prävention, die individuelle Lebensumstände, das Lebensalter, allgemeinmedizinische und psychosoziale Faktoren berücksichtigt. In naher Zukunft muss es uns Zahnärzten/-innen gelingen, eine lebenslange kurative Behandlung durch eine lebenslange präventive Betreuung zu ersetzen. Das hohe Ziel muss es sein, dass jeder Mensch ein Recht auf 28 eigene, gesunde Zähne ein Leben lang hat.

Literaturliste
[1] Mühlhausen C.: Future Health. Der „Megatrend Gesundheit“ und die Wellness-Gesellschaft. Bonn: 2000.

[2] Händeler E.: Die Geschichte der Zukunft. Sozialverhalten heute und der Wohlstand von morgen. Moers: 2003.

[3] Barnett M. L.: Molecular approaches to oral therapeutics: dentistry in the next millinennium? J Dent Res 76, 1236 (1997).

[4] Vasel, D.: Gentest für die Abschätzung des Parodontitisrisikos. In: ZBW 3/2000.

[5] Bergmann, J.E.: Prophylaxe 2000. In: Oralprophylaxe 22 (2000) 1.

[6] Zahnärztekammer Westfalen-Lippe: Fragebogen zum Projekt „Recall-Handbuch für das Praxisteam“. Zahnmedizinische Prävention und Nachsorge.

 

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