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Genauigkeit der computerassistierten Implantationsarten

Geometrische Darstellung der Abweichung zwischen der geplanten und realisierten Implantatstellung. (Bild: Daniel Marschall)
Dr. Daniel Marschall MSc, MSc, Schweiz*

Dr. Daniel Marschall MSc, MSc, Schweiz*

Do. 10 Februar 2011

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BASEL - Das digitale Zeitalter hat auch die dentale Implantation revolutioniert. Doch wie genau ist die computergestützte Implantation? Wissenschaftliche Studien haben sich dem Thema angenommen und konventionelle wie digitale Verfahren untersucht.

Der Wunsch der Patienten/-innen, verloren gegangene Zähne mit neuen festen Zähnen zu ersetzen, ist jeder Zahnärztin und jedem Zahnarzt bekannt. Eine prothetische Versorgung mit Teil- oder Totalprothesen ist für die meisten Patienten/-innen wegen mangelnder Fixierung nicht befriedigend. Mithilfe von Zahnimplantaten kann der Prothesenträger wieder feste Zähne erhalten und seinen Körper dadurch vervollständigen, die für immer verloren geglaubte Beißkraft wiedererlangen. Die Einheilung der Implantate benötigt aber Zeit. Sie ist vielfach mit der Heilung eines gebrochenen Knochens vergleichbar, die bekanntlich Monate dauert. Die Einheilungsdauer der Zahnimplantate stellt viele Patienten vor zusätzliche Belastungen. Während dieser Zeit sind Halt und Ästhetik der Prothese zum Teil sogar schlechter als vorher, da zumeist nicht viel Zeit und Geld in ein Provisorium investiert wird, das nur für ein paar Monate gedacht ist. Damit stellt sich die Frage, ob es eine Chance gibt, Implantate möglichst ästhetisch, möglichst sofort und möglichst genau an die gewünschte Stelle zu setzen.

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Aktuelle Praxis

Die Zahnimplantate werden in der Regel nach Studium eines Röntgenbildes inseriert. Hierbei betrachtet man das Röntgenbild in Bezug auf Höhe des vorhandenen Knochens. Die Breite des vorhandenen Knochens wird mit den Fingern abgetastet und abgeschätzt. Wer es genauer haben will, versucht die Dicke der Gingiva zu messen und überträgt diese auf ein Gipsmodell. Entweder werden dann die Implantate ohne Übertragungsschablone eingesetzt, oder es wird eine mehr oder weniger genaue Schablone vorbereitet, mit deren Hilfe die Implantate gesetzt werden. Wenn die Implantate ohne Schablone gesetzt werden, orientiert man sich – wenn möglich – an den noch vorhandenen Zähnen oder korrigiert die Implantatachse intraoperativ, indem man eine Referenzlehre in das Implantatbett einsetzt und so die Achse mithilfe eines intraopera-tiv angefertigten Röntgenbilds einschätzt. Dies erlaubt, einen etwas falsch eingeschlagenen Weg noch zu korrigieren. Als Schablone wird von den Behandlern/-innen eine einfache Tiefziehschiene, die man auf dem Wax-up oder einer alten Prothese gemacht hat, verwendet. Andere verwenden eine Schiene aus Hartplastik mit lateralen Öffnungen zum Einführen des Bohrers und wieder andere Zahnärzte/-innen möchten es ganz genau machen und verwenden eine Hartplastikschiene mit Metallhülsen zur genauen Führung und Positionierung.

Dabei macht man aber oft eine Planung, die zwar die geplante prothetische Versorgung, aber meist ungenügend die knöcherne Situation berücksichtigt, was dann dazu führt, dass die genauen Metallhülsen an einem ganz falschen Ort sitzen, weil man auf dem Gipsmodell den Knochen nicht sieht und auf dem Röntgen nicht die zukünftige Versorgung. Man versucht deshalb mit verschiedenen Hilfsmitteln wie Kugeln oder Metallstäbchen die knöcherne Situation auf die Prothetik abzustimmen, was viel Zeit braucht und nicht immer die gestellten Anforderungen an Lage des Implantat-Eintrittpunktes, Lage des Implantat-Apexes und die axiale Neigung erfüllt.

Mit dem technischen Fortschritt hielt der Computer auch in der Zahnheilkunde Einzug, so auch in der Radiologie. Dank der Computertechnik gibt es nun das digitale Einzelzahnröntgen und das digitale Panoramaröntgen. Diese konnten die Strahlendosis vermindern, manchmal die Qualität erhöhen, aber man hatte immer noch nur zweidimensionale Bilder. Für dreidimensionale Röntgenbilder musste man die Computertomografie zur Hilfe nehmen, die aber die Nachteile einer sehr großen Strahlenbelastung und sehr hoher Kosten hat. Auf der Suche nach dem kostengünstigen dreidimensionalen Röntgen mit niedriger Röntgenbelastung wurde man bei der Cone-Beam-Computertomografie fündig, die im deutschsprachigen Raum eher als digitale Volumentomografie bezeichnet wird. Nebst der Computerassistenz, die zum dreidimensionalen Bild geführt hat, macht man sich den Computer zunutze, um eine auf den Knochen abgestimmte Implantation zu ermöglichen. Diese wird entweder möglich, indem virtuell Implantate gesetzt werden und dann aufgrund dieser Daten eine Schablone hergestellt wird, mit welcher dann die Bohrlöcher gesetzt werden. In diesem Fall redet man von der statischen Methode (oder Splint-System). Andererseits erlaubt uns der Computer aber auch die Implantation mit der intraoperativen Navigation, auch dynamisches Verfahren genannt (oder Tracking-System).

Bei der Navigation wird der Bohrvorgang permanent mittels Infrarotstrahlen überwacht und nachkorrigiert. Diese Überwachung erfolgt aber via Infrarotstrahlen zwischen Bohrmaschinen und Empfänger und nicht via Röntgenstrahlen, wodurch sich dann eine Abweichung zur gewünschten Planungslage ergeben kann. Daraus resultiert auch schon die Frage: Wie genau ist die computerassistierte statische und dynamische Implantation in Bezug auf die Eintrittstelle, die Apexlage sowie die axiale Neigung? Und als ergänzende Frage: Wie ungenau sind diese Implantationsverfahren im schlechtesten Fall? Diese Frage stellt sich deshalb, weil man in vielen Studien beschönigende Aussagen findet, dass im Durchschnitt sehr gute Werte gefunden worden sind, dabei werden aber die schlechten maximalen Werte als einzelne Ausreißer abgetan. Dies ist aber nicht zulässig, weil der Operateur sich nicht in 10% der Fälle eine Nervenverletzung erlauben und sich auf gute Durchschnittswerte beru-fen kann. Somit sind die maximalen Wertabweichungen in vieler Hinsicht wichtiger als Genauigkeitsdurchschnittswerte. In der Masterthese habe ich 15 Studien untersucht und meine Resultate stelle ich im Folgenden zusammengefasst vor.

Resultate
Bei den Studienergebnissen, die kleine Abweichungen zwischen geplanter und realisierter Implantatstellung präsentierten, handelt es sich meist um Durchschnitts- und nicht um Maximalwerte. Außerdem waren diese meist bei In-vitro-Studien und nicht bei In-vivo-Studien anzutreffen, ferner wurden die Werte in den meisten Fällen mit sehr aufwendigen und teuren dynamischen Verfahren (Tracking-System) erzielt. Die Werte am Bohrungseingang waren oft besser als die am Apex.

Für die Umsetzung in der Ordination ist aber in Bezug auf die empfindlichen Strukturen (z.B. N. mandibularis, Kieferhöhle) der „worst case“ relevant. Dieser entspricht den maximalen Abweichungen zwischen geplanter und realisierter Implantatstellung am Apex, in vivo und schablonengeführtem Verfahren. Dieser so ermittelte Abweichungswert beträgt 6,4mm (am Apex) bei 18° Neigungsabweichung. Die beste durchschnittliche Abweichung in vivo betrug am Apex 2,99mm und die beste durchschnittliche Neigungsabweichung betrug 6,4°. Im Vergleich dazu war der beste Durchschnittswert in vitro 1,2mm am Apex und die Neigungsabweichung betrug 1,80° (NobelGuide).

Diskussion
Bei der Zusammenfassung der Re-sultate wurde bereits vorweggenommen, welche Prioritäten bei dieser Studie bestehen und was relevant für die Ordination sei. Die ermittelten Maximalwerte zeigen die Grenzen der Genauigkeit einer compu- terassistierten Implantation auf. Dies wird insbesondere verdeutlicht, wenn man die computerassistierte Implantation mit den Risikofaktoren transgingivale Implantation, Sofortversorgung und Sofortbelastung kombiniert, wie die Studie von Klinge betreffend des Nobel-Biocares „Teeth-In-An-Hour™“-Konzeptes aufzeigt. Diese Studie beinhaltete 31 Fälle mit insgesamt 175 Implantaten mit einer Beobachtungsdauer von drei Monaten bis drei Jahre (im Schnitt ca. 1-jährige Beobachtungszeit) mit einer Erfolgsrate von 71% (bzw. eine Misserfolgsrate von 29%). Die Durchschnittswerte der com- puterassistierten Implantation und die Vergleichstudien zeigen, dass die computerassistierte Implantationstechnik der konventionellen Implantationstechnik unter gewissen Untersuchungsbedingungen überlegen ist. Dies wird beim Vergleich von Sarment et al. anhand der durchschnittlichen Neigungsabweichung von 4,5° bei der schablonengeführten Implantation gegenüber von 8° bei der konventionellen Implantation verdeutlicht.

Schlussfolgerung
Solange man auf die computerassistierte Implantationstechnik nicht blind vertraut und immer wieder zu Kontrollmöglichkeiten greift – wie die Aufklappung in schwierigen Fällen, intraoperatives Röntgen in der Nähe von empfindlichen Strukturen, Unterlassung der Kombination transgingivale Implantation, Sofortversorgung und Sofortbelastung – führt die computerassistierte Implantationstechnik zu besseren Resultaten als die konventionelle.

Kritik an den aktuellen Lösungen
Es wurde keine Studie, welche die konventionelle Implantationstechnik mit intraoperativer Röntgenkontrolle kombiniert, herangezogen, um einen Vergleich zur computerassistierten Implantation zu ziehen. Gerade in Bezug auf die rein axiale Dimension könnte diese Methode sich als relevant erweisen. In diesem Zusammenhang wären aber auch bessere Werte bei der computerassistierten Implantation erreichbar, wenn intraoperativ mit einem Zusatz-röntgen kontrolliert würde und die Navigation neu kalibriert und die Position nachkontrolliert werden könnte.  

*Der Artikel ist die Kurzfassung der Masterthese „Genauigkeit der computerassistierten Implantation unter besonderer Berücksichtigung der Maximalabweichungen (Literaturübersicht)“, die Dr. Marschall zur Erlangung des „Master of Science Ästhetisch-Rekonstruktive Zahnmedizin“ (MSc) an der Donau-Universität Krems eingereicht hat. 

Literaturliste

  • Klinge B, February 2007, Success and failure following computer assisted virtual treatment planning in immediate loading of the edentulous patients. Feedback from 5th World Congress of Osseointegration, http://www.implantdirect.com/pdf/ReutersReportsProblemswith%20Nobel'sTeeth-in-a-hour.pdf
     
  • Sarment D.P, Sukovic P & Clinthome N. 2003b. Accuracy of implant placement with a stereolithographic surgical guide. International Journal of Oral Maxillofacial Implants 18: 571-577.
     
  • Kramer F-J, Baethge C, Swennen G, Rosahl S. Navigated vs. conventional implant insertion for maxillary single tooth replacement. A comparative in vitro study. Clin. Oral Impl. Res. 16, 2005; 60-68.
     
  • Hoffmann J, Westendorff C, Gomez-Roman G, Reinert S. Accuracy of navigation-guided socket drilling before implant installation compared to the conventional free-hand method in a synthetic edentulous lower jaw model. Clin. Oral Impl. Res. 16, 2005; 609-614.
     
  • Hoffmann J, Westendorff C, Schneider M, Reinert S. Accuracy Assesment of Image-guided Implant Surgery: An Experimental Study Int J Oral Maxillofac Implants 2005; 20:382-386.
     
  • Ewers R, Schicho K, Truppe M, Seemann R, Reichwein A, Figl M & Wagner A, 2004, Computer aided navigation in dental implantology: 7 years of clinical experience. International Journal of Oral an Maxillofacial Surgery 62: 329-334.
     
  • Mischkowski R A, Zinser M J, Neugebauer J, Kübler A C, Zöller J E, Vergleich von statischen und dynamischen Verfahren zur Umsetzung der präoperativen Planung in der Implantologie, Int J Computerized Dentistry 2006; 9:23-35.
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