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Die weitreichende Bedeutung der kieferorthopädischen Behandlung

Prof. Dr. Andrea Wichelhaus, Schweiz

Prof. Dr. Andrea Wichelhaus, Schweiz

Fr. 8 Jänner 2010

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Das therapeutische Spektrum der kieferorthopädischen Behandlung umfasst viele Bereiche. Neben der herausnehmbaren und festsitzenden Behandlung bei Kindern und Jugendlichen, gehören die Spaltbehandlung und die (interdisziplinäre) Behandlung schwieriger Zahnfehlstellungen zu den primären Anwendungsbereichen.

In den vergangenen Jahren hat es speziell in der Erwachsenenkieferorthopädie
Neuentwicklungen gegeben. Immer mehr Erwachsene sind daran interessiert, eine schiefe Zahnreihe doch noch einmal zu korrigieren.

Bei Kindern und Jugendlichen sind neben genetisch bedingten Fehlstellungen des Kiefers 40 Prozent der kieferorthopädischen Behandlungen auf Lutschen oder die schlechte Pflege der Milchzähne zurückzuführen. Auch die Zahl der erwachsenen Patienten nimmt stetig zu. Dabei geht es nicht nur um
ästhetische Aspekte, sondern auch um die Kaufunktion. Um etwa Platz für Implantate zu schaffen, ist oftmals eine kieferorthopädische Vorbehandlung nötig.

Kieferorthopädische Maßnahmen bei Kindern und Jugendlichen
Zahnfehlstellungen sind bei Kindern häufig durch ein herausnehmbares System oder eine festsitzende Spange zu beheben. Welche Form notwendig ist, hängt vom Alter und vom individuellen Problem ab. Nur in
schweren Fällen oder bei Lippen-, Kiefer- und Gaumenspalten ist eine Operation notwendig.

Die herausnehmbare und festsitzende Behandlung von Kindern und Jugendlichen wird in verschiedene Anwendungsgebiete gegliedert:

1. Interzeptive Behandlung
2. Funktionskieferorthopädische Behandlung
3. Festsitzende Behandlung.

Bei der interzeptiven Behandlung (Abb. 1 bis 6) ist das Ziel die Korrektur von Zahnfehlstellungen, die durch äußere Umstände, beispielsweise schädigende exogene Umwelteinflüsse, hervorgerufen wurden. Hierzu zählen insbesondere der offene Biss und der Kreuzbiss.

Abb. 1: Der offene Biss oder die fehlende Überlappung der Frontzähne kann durch das Lutschen und/oder Atmen durch den Mund entstehen. Dies begünstigt Erkrankungen der oberen Atemwege (v.l.n.r.). Abb. 2: Innerhalb von einem Jahr lässt sich der offene Biss durch minimalinvasive therapeutische Maßnahmen schließen und die weitere Entwicklung der Kieferknochen und Zähne kann normal ablaufen. Abb. 3 und 4, v.l.n.r.: Kreuzbiss: der Schmalkiefer im Oberkiefer führt zu einer falschen Verzahnung im Seitenzahnbereich. Dabei stehen die Oberkieferzähne weiter innen und die Unterkieferzähne weiter außen. Abb. 5 und 6, v.l.n.r.: Nach forcierter Gaumennahterweiterung und Dehnung des Oberkiefers entwickelt sich der Zahnbogen normgerecht und ermöglicht einen regulären Durchbruch der übrigen Seitenzähne. Abb. 7: Die Kieferfehlstellung zeigt ein deutliches Knochendefizit im Unterkiefer. Dadurch entsteht eine große Stufe zwischen den Oberkiefer- und Unterkieferfrontzähnen (v.l.n.r.). Abb. 8: Durch herausnehmbare funktionskieferorthopädische und festsitzende Apparaturen wurde die Kieferfehlstellung korrigiert und ermöglicht nun einen normalen Mundschluss und Abbeißfunktion für den Patienten. In vielen Fällen können so umfangreiche Maßnahmen zu einem späteren Zeitpunkt vermieden werden. Die funktionskieferorthopädische Behandlung (Abb. 7 und 8) greift orthopädisch in das Wachstum der Kiefer ein. Dabei kann das Wachstum des Oberkiefers oder Unterkiefers gehemmt oder gefördert werden. Voraussetzung für eine erfolgreiche Therapie ist, in Abhängigkeit von dem Schweregrad der Kieferfehlstellung, dass die Therapie zum richtigen Zeitpunkt begonnen wird. Beim Großteil der
Patienten ist dies im Alter zwischen dem achten und zwölften Lebensjahr. Wird dieser Zeitpunkt
versäumt, ist in vielen Fällen eine orthopädische Beeinflussung der Kieferfehlstellungen nicht mehr möglich und es können dann nur noch kompensatorische orthodontische Maßnahmen bzw. orthodontischchirurgische Korrekturen durchgeführt werden.

Spaltbehandlung
(Abb. 9 bis 12)
Die Behandlung von Spalten im Mund-, Kiefer- und Gesichtsbereich erfordert ein interdisziplinäres Team an der Klinik. Die kieferorthopädische Behandlung erstreckt sich vom Säuglings- bis ins Erwachsenenalter. Die kieferorthopädische Aufgabe besteht neben der Wachstumsunterstützung
des Spaltkiefers in einer korrekten Einreihung der Zähne in die entsprechende Position, damit im
Anschluss eine korrekte prothetische Versorgung des Spaltbereichs mit Brücken oder Implantaten erfolgen kann.

Abb. 9, v.l.n.r.: Lippen-Kiefer-Gaumenspalte und Situation der Kiefer im Säuglingsalter. Abb. 10: Lippen-Kiefer-Gaumenspalte im frühen Wechselgebiss während der Behandlung mit herausnehmbaren Geräten zur Nachentwicklung der Kiefer. Abb. 11 und 12, v.l.n.r.: Lippen-Kiefer-Gaumenspalte vor und in der Endphase der orthodontischen Behandlung

Interdisziplinäre Behandlung schwierigerer Zahnfehlstellungen
(Abb. 13 bis 17)
Schwierige Zahnfehlstellungen sind Zahnfehlstellungsanomalien, die in der Regel nur im interdisziplinären Team lösbar sind. Dazu gehören Patienten mit multiplen Nichtanlagen von Zähnen. Die kieferorthopädisch-orthodontische Aufgabe besteht in der Schaffung einer korrekten axialen Position aller Zähne, die eine Voraussetzung für die anschließend chirurgische, konservistische und prothetische Versorgung der Zähne darstellt. Soll beispielsweise ein Implantat als Ersatz für den fehlenden Zahn gesetzt werden, muss der Raum im Knochen groß genug sein, um das Implantat
positionieren zu können. Dafür ist eine korrekte Wurzelposition erforderlich.

Zahnfehlstellungen im Erwachsenenalter, die nicht ausschließlich die Zähne, sondern in einem hohen Maß die Kiefer betreffen, benötigen eine kombinierte kieferorthopädische und chirurgische Behandlung. Erst durch die kieferorthopädische Vorbehandlung ist es dem Chirurgen möglich, die Kiefer exakt
zueinander zu positionieren und damit die Kaufunktion wieder herzustellen.

Abb. 13: Patientin mit fehlenden Zähnen im Bereich der Oberkieferfront und Zahnformanomalie (zu schmale Zähne). Abb. 14: Nach kieferorthopädischer festsitzender Therapie, chirurgischer Implantatversorgung, prothetischer Behandlung mit Kronen und Keramikschalen (Veneers) zeigt sich ein funktionell und ästhetisch gutes Behandlungsergebnis. Abb. 15 bis 17: Kieferorthopädische und Mund-Kiefer-Gesichtschirurgische Behandlung bei vererbt bedingtem Wachstumsüberschuss im Unterkiefer. Nach der Behandlung besteht eine normgerechte Verzahnung, die eine weitere zahnärztliche Versorgung auch in höheren Lebensjahren erst ermöglicht. Erwachsenenkieferorthopädie
Durch die wissenschaftlichen Neuerungen im Bereich der Diagnostik, Materialforschung und Biomechanik lassen sich innerhalb des Spektrums der kieferorthopädischen Behandlung Zahnfehlstellungen mit konservativen Methoden leichter und schneller behandeln. Kombinierte operative und kieferorthopädische Verfahren gehören zwar immer noch zur Routine in der kieferorthopädischen Behandlung, werden jedoch durch neue, konservative Verfahrenstechniken ergänzt.

 

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